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die ferne Kurie gerichteten Angriffen stehen, sondern der Legat erhielt
eine Absaͤge Huttens und Sickingens, die ihn besorgt für sein Leben
machte, und in der That fing auch schon die wormser Bevölkerung
an, den Kardinal durch Hohn= und Spottlieder, ja durch persönliche
Beschimpfungen zu insultieren. Karrikaturen auf ihn wurden sogar
bis in die Herberge des Kaisers hinein vertrieben.
Diese verschiedenen Erwägungen finanziellen und politischen Cha-
rakters, dazu der Druck der auch von dem spanischen Karl nicht unter-
schätzten öffentlichen Meinung Deutschlands brachte jene Citation
DLuthers vor den wormser Reichstag, datiert vom 6. März 1521, zu
Wegze, die, wenn man es aus dem Gesichtspunkte des damals geltenden
Kirchen= und Staatsrechtes aus betrachten will, ein Unding war. Sie
verfehlte auch völlig, sich den Beifall des päpstlichen Legaten zu ge-
winnen, vor allem aber war dieser außer Fassung über die eingangs
der Ladung an einen gebannten Ketzer stehende Anrede: „Ehrsamer,
Lieber, Andächtiger.“ Und wenn man vielleicht in gewissen Kreisen
denken mochte, daß das in dem Vorladungsbriefe durch besonderes
Formular gewährte kaiserliche Geleit einem Ketzer gegenüber nicht ein-
gehalten zu werden brauche, so soll Kurfürst Friedrich sich eine bindende
schriftliche Versicherung von dem jungen Kaiser haben geben lassen,
daß er nicht so verfahren wolle, wie Kaiser Sigismund gegen Huß.
Es ist nicht notwendig, diese Überlieferung zu glauben. Die Zeiten
von 1521 waren durchweg andere als wie 1414 und 1415. Auch
ein streng kirchlich gesonnener Monarch wie Karl W. sah solche Fragen
nur noch mit politischem Auge an, und wenn er auch mit Rücksicht
auf Frankreich dafür war, dem Papste gefällig zu sein, so war ihm doch
Luther in seiner augenblicklichen Entwickelung ein eventuell zu ge-
brauchendes Werkzeug gegen die päpstliche Kurie. Sein Hauptberater,
der auch seine Erziehung geleitet hatte, Wilhelm von Croy, Herr von
Chievres, sagte damals ganz offen zum Nuntius: „Macht nur, daß
Euer Papst unsere Sachen nicht in Verwirrung bringt, dann soll er
alles haben, was er nur von uns verlangen kann; sonst wird man
ihn derartig einwickeln, daß er viel Mühe haben soll, sich heraus-
zuwickeln.“ Bei solchem durchaus von der Politik diktierten Stand-
punkte wäre kaum zu erwarten gewesen, daß Karl sein kaiserliches
Wort zu brechen willens gewesen wäre. Es war übrigens bemerkens-
Sturmhoefel. Geschichte der süchsischen Laude. 69