Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. I. Band, 2. Abteilung. Von der Landesteilung von 1382 bis zum Übergange der Kurwürde an die Albertiner (1547). (2)

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die ferne Kurie gerichteten Angriffen stehen, sondern der Legat erhielt 
eine Absaͤge Huttens und Sickingens, die ihn besorgt für sein Leben 
machte, und in der That fing auch schon die wormser Bevölkerung 
an, den Kardinal durch Hohn= und Spottlieder, ja durch persönliche 
Beschimpfungen zu insultieren. Karrikaturen auf ihn wurden sogar 
bis in die Herberge des Kaisers hinein vertrieben. 
Diese verschiedenen Erwägungen finanziellen und politischen Cha- 
rakters, dazu der Druck der auch von dem spanischen Karl nicht unter- 
schätzten öffentlichen Meinung Deutschlands brachte jene Citation 
DLuthers vor den wormser Reichstag, datiert vom 6. März 1521, zu 
Wegze, die, wenn man es aus dem Gesichtspunkte des damals geltenden 
Kirchen= und Staatsrechtes aus betrachten will, ein Unding war. Sie 
verfehlte auch völlig, sich den Beifall des päpstlichen Legaten zu ge- 
winnen, vor allem aber war dieser außer Fassung über die eingangs 
der Ladung an einen gebannten Ketzer stehende Anrede: „Ehrsamer, 
Lieber, Andächtiger.“ Und wenn man vielleicht in gewissen Kreisen 
denken mochte, daß das in dem Vorladungsbriefe durch besonderes 
Formular gewährte kaiserliche Geleit einem Ketzer gegenüber nicht ein- 
gehalten zu werden brauche, so soll Kurfürst Friedrich sich eine bindende 
schriftliche Versicherung von dem jungen Kaiser haben geben lassen, 
daß er nicht so verfahren wolle, wie Kaiser Sigismund gegen Huß. 
Es ist nicht notwendig, diese Überlieferung zu glauben. Die Zeiten 
von 1521 waren durchweg andere als wie 1414 und 1415. Auch 
ein streng kirchlich gesonnener Monarch wie Karl W. sah solche Fragen 
nur noch mit politischem Auge an, und wenn er auch mit Rücksicht 
auf Frankreich dafür war, dem Papste gefällig zu sein, so war ihm doch 
Luther in seiner augenblicklichen Entwickelung ein eventuell zu ge- 
brauchendes Werkzeug gegen die päpstliche Kurie. Sein Hauptberater, 
der auch seine Erziehung geleitet hatte, Wilhelm von Croy, Herr von 
Chievres, sagte damals ganz offen zum Nuntius: „Macht nur, daß 
Euer Papst unsere Sachen nicht in Verwirrung bringt, dann soll er 
alles haben, was er nur von uns verlangen kann; sonst wird man 
ihn derartig einwickeln, daß er viel Mühe haben soll, sich heraus- 
zuwickeln.“ Bei solchem durchaus von der Politik diktierten Stand- 
punkte wäre kaum zu erwarten gewesen, daß Karl sein kaiserliches 
Wort zu brechen willens gewesen wäre. Es war übrigens bemerkens- 
Sturmhoefel. Geschichte der süchsischen Laude. 69
	        
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