Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. I. Band, 2. Abteilung. Von der Landesteilung von 1382 bis zum Übergange der Kurwürde an die Albertiner (1547). (2)

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Angesicht des Kaisers und der versammelten Fürsten treten. Auf die 
Frage, ob er die in seinen Büchern enthaltenen, als ketzerisch bezeich- 
neten Sätze widerrufen wollte, bat er sich zur Überraschung aller eine 
Bedenkzeit von 24 Stunden aus, die ihm nicht ohne rügende Bemerkung 
gewährt wurde. Der Ernst der Stunde, die glänzende Versammlung 
hatten ihn befangen und schüchtern gemacht. Viele waren enttäuscht; der 
Kaiser meinte geringschätzig: „Der wird mich nicht zum Ketzer machen!“ 
Aber am nächsten Tage hatte sich Luther auch von diesem Reste von 
Menschenfurcht frei gemacht; in längerer, erst lateinischer, dann deutscher 
Rede trat er für seine Schriften und seine Lehren ein und schloße 
„Es sei denn, daß ich durch Zeugnis der Schrift überwunden werd', 
oder durch offenbare Gründe. — Denn ich glaube weder dem Papst 
noch den Konzilien allein, weil am Tage liegt, daß dieselben oft geirret 
und wider sich selbst geredet haben: ich bin überwunden durch die 
Schriftstellen, die ich angeführt habe, gefangen im Gewissen an Gottes 
Wort. Deshalben nichts mag, noch will widerrufen, weil wider das 
Gewissen zu handeln unsicher und gefährlich ist.“ Und als er dann 
von dem trierischen Offizial Johann Eck nochmals gesragt wurde, ob 
er wirklich glaube, daß die Konzilien geirrt hätten und er ohne Zaudern 
bejaht hatte, da befahl der über solche Kühnheit empörte Kaiser, die 
Verhandlungen abzubrechen. Und hier war es, wo Luther in die 
wachsende Aufregung hinein die Worte rief, die, verschieden überliefert, 
schließlich die bekannte Form erhalten haben: „Hier stehe ich, ich kam 
nicht anders, Gott helfe mir! Amen.“ Dann verließ er, von dem 
Hohngeschrei und Zischen der Spanier und von den Beifallsrufen der 
Deutschen begleitet, den Saal, die Hand hoch emporhaltend, wie die 
deutschen Landsknechte zu thun pflegten, wenn ihnen eine rechte 
Sache glücklich gelungen war. „Ich bin hindurch, ich bin hindurch!" 
rief er den Freunden in der Herberge zu, triumphierend, als er 
heimkam. 
Der Kaiser wollte nun ohne weiteres die Acht über ihn verhängen. 
Aber die Stände waren dagegen; sie setzten einen achtgliederigen Aus- 
schuß durch, in dem der Erzbischof von Trier, Joachim von Branden- 
burg und Herzog Georg von Sachsen die hervorragendsten Mitglieder 
waren, um mit Luther nochmals zu unterhandeln. Man kam ihm 
hierbei so weit entgegen, daß man seine Unterwerfung, wenn nicht
	        
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