— 1096 —
That, daß schon die gegnerischen Zeitgenossen sich beklagten, sie müßten
lutherisch schreiben, um verstanden zu werden, und daß bis auf den
heutigen Tag jede, auch noch so sorgfältig nach den neuesten Forschungen
und Ergebnissen korrigierte Bibelübersetzung keinen rechten Boden
gewinnen will.
Gewiß war „Junker Jörg“ mit Angsten in sein Patmos ein-
gezogen, nicht mit Ängsten um sich selbst, sondern um die Sache des
Evangeliums. Schon im Dezember 1521 litt es ihn nicht mehr auf
der einsamen Veste, sondern er mußte hinüberreiten nach Wittenberg,
um wenigstens mit den Vertrautesten Fühlung zu nehmen. Und in
dieser Zeit der innerlichen Kämpfe und äußerlichen Erwartungen, da
zeigt sich die ganze dämonische Natur des Mannes in Visionen; da
erscheint ihm in seiner stillen Studierstube der Teufel, und er wirft
dem ungebetenen Gaste die Waffe dieses Zeitalters an den Kopf:
das Tintenfaß! Und der Unhold verschwindet.
In das Stilleben auf der Wartburg brachen böse Nachrichten
aus Wittenberg. Wer die Glocke des Aufruhrs zieht, kann nicht
die Wirkung des Klanges berechnen, noch sie meistern. Zwickau,
die Stadt, deren emsiges Bemühen um gute Schulen wir kennen
gelernt haben und das auch der humanistischen Bewegung viel ent-
gegenbrachte, zeitigte Leute, wie den Tuchmacher Nikolaus Storch,
der nun schon so weit ging, die Autorität der Bibel zu verwerfen und
lediglich auf die göttliche Eingebung zu bauen. Er erklärte sich gegen
die in der Bibel nirgends erwähnte Kindertaufe und forderte nach
dem Vorbilde der ersten Kirchengemeinden Gütergemeinschaft. Dieselben
Ideen vertrat der Prediger an der Marienkirche zu Zwickau, Thomas
Münzer. Ganz nach Art des Evangeliums las er aus seinen An-
hängern 12 Apostel und 72 Sendboten aus, die die neue Lehre in
alle Welt tragen sollten. Hier aber griffen, während der Kurfürst
noch unschlüssig war, was zu thun sei, der Stadtpfarrer Nikolaus
Hausmann und der Amtmann Wolf von Weißenbach ein und trieben
die Sektierer aus der Stadt. Die meisten von diesen wandten sich
nach Wittenberg, wo sie um Weihnachten 1521 ankamen und vor-
bereiteten Boden fanden. Da hatte nämlich schon im Oktober Karl-
stadt gepredigt, man solle das Deutsche zur Kirchensprache machen,
das Abendmahl unter beiderlei Gestalt erteilen, den Cölibat beseitigen.