Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. I. Band, 2. Abteilung. Von der Landesteilung von 1382 bis zum Übergange der Kurwürde an die Albertiner (1547). (2)

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Anklagen, die seinem innersten Empfinden entsprachen, und erwartete 
nur die geeigneten Führer, um sich des auf ihm lastenden Joches zu 
entledigen. 
Wie gern lauschte der von Abgaben oft über Gebühr geplagte 
städtische Kleinbürger dieser neuen Botschaft, wie gern vor allem der 
mit Frohnden und anderen Herrendiensten, mit Zehnten und anderen 
Abgaben überlastete Bauer! Schon lange gärte es in den bäuer- 
lichen Kreisen namentlich Süddeutschlands. Das Bestreben der Grund- 
herren ging insbesondere in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts 
darauf hinaus, die noch vorhandenen zahlreichen freien Bauern um 
ihre Selbständigkeit zu betrügen. Man fälschte Urkunden und beschwor 
mit Meineiden Gerechtsame als altüberliefert, die noch der vorigen 
Generation nicht bekannt gewesen waren, wie die Abte von Kempten 
an der Iller im schwäbischen Kreise thaten. Man nahm das nun- 
mehr allenthalben an Stelle der lokalen Rechte getretene römische 
Recht, das den Bauern natürlich nicht geläufig war, zu Hilfe, um 
der Sache einen rechtlichen Anstrich zu geben. Dem römischen Rechte 
war ein freier Bauer unbekannt, da die Römer ihre großen Güter 
zur Zeit, als das Corpus juris zusammengestellt wurde, schon längst 
nur durch Sklaven bewirtschaften ließen. Höchstens in einem Punkte 
ähnelten spätrömische Verhältnisse unserem bäuerlichen Wesen in etwas, 
indem die Großgrundbesitzer Teile ihrer Herrschaft gegen eine bestimmte 
Anzahlungssumme einem anderen käuflich überließen, unter der Be- 
dingung, daß er durch seine Bewirtschaftung das von ihm erworbene 
Gut verbessere und dem früheren Eigentümer einen jährlichen Zins 
zahlte, den sogenannten Kanon. Damit war eine sehr inhalt= und folgen- 
schwere Bedingung verbunden, daß, fofern eine Amelioration nicht zu 
bemerken war oder der Kanon nicht gezahlt wurde, der frühere Be- 
sitzer wieder in seine Rechte treten konnte, ohne daß der Erwerber 
irgend schadlos gehalten wurde. Diese Einrichtung der sogenannten 
Emphyteusis wurde ganz willkürlich auf deutsche Verhältnisse über- 
tragen. Auch benutzte man den Begriff der Verjährung, wonach 
gewisse Rechte und Privilegien erlöschen, wenn sie nicht in bestimmter 
Zeit erneut oder wieder angesprochen worden sind, um die Freisassen- 
schaft der Bauern, wo sie noch existierte, anzufechten. Auch zu einer 
anderen Art des Beweises griff man, indem man sagte, die Bauern
	        
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