Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. I. Band, 2. Abteilung. Von der Landesteilung von 1382 bis zum Übergange der Kurwürde an die Albertiner (1547). (2)

— 1108 — 
einen ungeheuren Zulauf. Von Eisleben, Sangerhausen, Mansfeld, 
Frankenhausen, Querfurt, ja von Halle und anderen Orten der weiteren 
Umgebung kamen die Leute, um Münzer zu hören. Er wandte sich 
auch an die Fürsten Friedrich und seinen Bruder Johann, damit si 
und sei es mit Gewalt, die Sache des Evangeliums unterstützten, er- 
fuhr aber bei ihnen keinerlei Ermutigung oder Unterstützung. Dem 
die Art, wie er das Evangelium und die Bibel überhaupt auffaßte 
und auslegte, hatte doch etwas zu Grundstürzendes. Ihm lag nict 
an der theologischen Erklärung mehr, sondern es sollte durchweg nach 
dem Geiste des Evangeliums gelebt werden, nach Art der ersten 
Christen; mit Hilfe des Evangeliums gedachte er eine völlige soziale 
Umgestaltung zuwege zu bringen, und dabei sollte doch auch wieder 
nicht allein die Bibel die Richtschnur bilden, sondern als myhstischer 
Schwärmer, der er schon von Jugend auf gewesen war, lehrte 
Münzer, daß an Stelle des Buchstabens der im menschlichen Gemüte 
wirkende heilige Geist, die rein persönliche Erleuchtung treten müsse. 
Zum Zwecke der Durchführung seiner Pläne begründete er zu Allstedt 
eine geheime Gesellschast, deren Mitglieder sich mit feierlichem Ede 
verbindlich machten, untereinander auf das neue Gottesreich hiu- 
zuarbeiten, auf das Reich der brüderlichen Gleichheit, der Freiheit 
und Lauterkeit, in dem es keine Herren und Fürsten und Priester 
und keine Knechte geben sollte; alle Dinge sollten gemeinschaftlicher 
Besitz sein, die Arbeit wie die Güter, es solle davon an jeden nach 
Notdurft und Gelegenheit ausgeteilt werden. Kein Buchstabenglauben, 
keine Buchstabenreligion sollte in dem neuen Reiche die Gemüter 
knechten, sondern nur die Erleuchtung durch das „innere Licht" gelten. 
Dieses weit mehr politische als biblische oder theologische Thema bariierte 
er in allen seinen Predigten, die mehr durch ihr mystisches Propheten= 
feuer als durch Klarheit der Gedanken wirkten. Er verbreitete es aber 
auch durch die Schrift; zu Eilenburg hatte er einen eigenen Drucker 
dem er genug zu thun gab. Ferner gingen von Allstedt aus Serd- 
boten nicht nur nach den benachbarten Gauen, sondern allenthalben 
ins Reich hinaus. Für die nächste Umgebung schuf allerdings sei 
ganz hervorragendes Talent, mit Bildern und Wendungen, die mchr 
dem alten Testamente als dem Evangelium entnommen waren, eine 
Wirkung, die nicht nur auf die zuhörenden Kreise beschränkt blieb,
	        
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