— 1112 —
Domherren und — Stallbuben rechnen wollen, verließ er das Schloß
und kehrte nach Allstedt zurück. Aber auch da waren seine Tage
gezählt. Herzog Georg forderte seine Auslieferung wegen der Auf-
wiegelung der Sangerhäuser und that recht daran; ja er drohte, selbst
einzuschreiten, wenn der Kurfürst nicht nach seiner Pflicht thäte. Fir
die staatsrechtlichen Anschauungen der Zeit ist es charakteristisch, daß
in einem solchen Falle ein unmittelbares Einschreiten der Staatsgewalt
nicht möglich war, sondern daß erst kurfürstlicher Befehl an den Rat
zu Allstedt ergehen mußte, dem Prediger Münzer nicht länger Aufent-
halt in der Stadt gewähren zu wollen. Münzer versuchte den Neat,
vor dem er in ritterlicher Rüstung erschien, nachdem er seine Mit-
verschworenen bei Nacht versammelt hatte, für seine Sache zu erwärmen,
fand aber zu seinem Leidwesen, daß die Natsherren „ihren Eid und
Pflicht mehr achteten, denn Gottes Wort“ — eine Gegenüberstellung,
die bemerkenswert ist —, und siedelte dann am 15. August 1524
nach Mühlhausen über.
In dieser Stadt, die schon öfter wegen ihrer Beziehungen zu den
Wettinern und wegen ihrer Verfassungsstreitigkeiten erwähnt worden
ist, war der Boden für Münzersche Lehrmeinungen genügend vorbereitet.
Es hatte sich da im Jahre 1523 ein seinem Kloster entwichener Mönch,
namens Heinrich Pfeiffer, der aus der Stadt stammte, mit großem
Erfolge als Prediger des Evangeliums aufgethan, ein Mann, dessen
Bedeutung schon daraus erhellt, daß einige in ihm den Verfasser
der zwölf Artikel der Bauern erkennen wollen. Es ging dem Evan-
gelium und seiner Predigt durch Pfeiffer hier genau so wie ander-
wärts, d. h. mit den religiösen Interessen verbanden sich sofort po-
litische und soziale. Auch Mühlhausen hatte den uns bekamten
dreiteiligen Rat mit wechselnden Abteilungen, Selbstergänzung und
Ratsverwandten, aus denen sich im Notfalle der Senat neu rekrutierte.
Man sagt, daß es nur 96 Bürger gewesen seien, die in einer bolk-
reichen und außerhalb der Mauern reich begüterten Gemeinde die un-
bedingte Herrschaft gehabt hätten. Der regierende Stadtadel erkannte
in Pfeiffers Predigt sofort das revolutionäre Element und blieb darum
um so hartnäckiger an der alten Lehre hangen, wohingegen nun Pfeifser
den anfangs eingehaltenen theologischen Boden verließ und auf das
politische Gebiet übertrat. Er wiegelte bewußterweise die Bewohner