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wortete er ihnen: „Was fragen wir nach ihm? er hat nicht weiter
zu gebieten, denn in weltlichen Sachen; wenn er aber wollte weiter
greifen, so wollen wir sprechen: Gnädiger Herr, wartet Ihr Eures
Regiments; man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen!“ Und
doch rief er schon im nächsten Jahre die Hilfe des Staates gegen
diejenigen an, die sich nicht von dem alten gotteslästerlichen Wesen
trennen wollten.
Überdies drängte sich ganz von selbst Luthern die überzeugung
auf, daß das Reich Gottes zwar nicht von dieser Welt sei, daß aber
seine irdischen Vertreter ganz wie die Abte, Prioren und Pfarrherren
auch das Bedürfnis gesicherter Einkünfte hätten. Mit großer Ge-
schwindigkeit hatten die weltlichen Herren, einen Rechtszustand benutzend,
der ein sogenanntes Grundbuch nicht kannte und die Leute nach dem
Prinzipe des am raschesten Zufassens leben ließ, sich in den Besitz der
frei gewordenen Klostergüter gesetzt, denen Abt und Prior fehlten. Die
eines weltlichen Schutzes beraubten Stifter wurden eine willkommene
Beute der mit einem Male sehr evangelisch gesinnt gewordenen Nachbarn.
Hier mußte vor allem Wandel geschaffen werden, und hier zeigte es
sich mit sonnenklarer Deutlichkeit, daß das Weltliche nun doch nicht
von dem Geistlichen zu trennen sei. So mußte denn Luther die
Landesfürsten als „Notbischöfe“ anrufen, und sie folgten dem Rufe
gern, der besser schon früher hätte erschallen sollen. Mit der ihm
eigenen Leidenschaftlichkeit schrieb Luther nun auch das unbedingte
Gottesgnadentum der Fürstengewalt auf seine Fahnen und begab
sich damit, sicher wider seine eigene innerste Überzeugung, aber durch
die eben weltlich sich anders als geistlich gestaltenden Verhältnisse
gezwungen, in den Dienst des werdenden modernen Staates. Es
wäre Thorheit, darüber zu rechten und zu urteilen, ob Luther nicht
vielleicht andere Wege hätte einschlagen müssen und in die Bahnen
Zwinglis und Calvins einlenken. Die damaligen Verhältnisse schufen
einen Mann wie Luther, und er übte dann wieder einen seiner Ent-
wickelung gemäßen Einfluß auf die Verhältnisse aus.
Während in Hessen unter Philipps Leitung sich ungemein rasch
eine Landeskirche entwickelte, der die homberger Beschlüsse ein, übrigens
bald geändertes, demokratisches Gepräge gaben, war gerade in Sachsen
die Umgestaltung der alten zur neuen Kirche vorsichtig langsam trotz