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selbst war infolge des über die Stadt vom mainzer Erzbischof ver-
hängten Interdiktes geschlossen — König Sigismund zum römischen
König und in seinem Namen erklärte Friedrich von Nürnberg sofort,
daß Sigismund, der noch in Ofen weilte, die Wahl annehme. Am
1. Oktober wählten dagegen der Mainzer und Kölner Erzbischof mit
dem Vertreter Wenzels, der sich für Jobst hatte gewinnen lassen, und
dem Vertreter der von Jobst ebenfalls in Anspruch genommenen
brandenburgischen Stimme Jobst von Mähren; der Kurfürst von Sachsen,
der später kam, trat dieser Wahl ebenfalls bei. Der drohende Bürger-
krieg wurde dadurch abgewandt, daß Jobst von Mähren am 18. Januar
1411 starb. Nachdem sich Sigismund mit Wenzel verständigt hatte,
wählten die bisherigen Anhänger Jobsts am 21. Juli 1411 auch ihrer-
seits Sigismund und damit war, im Gegensatz zu dem Zustande der
Kirche, die Reichseinheit wieder hergestellt.
Wir wissen, daß die Einheit der Kirche nicht nur durch das
dreifältige Papsttum zerrissen war, sondern daß auch durch Hussens
Auftreten eine Spaltung verursacht wurde. Nachdem die Deutschen
von der prager Universität weggewandert waren, hatte hier Hus mit
seiner Lehre große Fortschritte gemacht. Der Erzbischof Sbinko, der
sich eine Zeit lang zweideutig betragen hatte, nahm nunmehr, auf
Mahnung des Papstes Alexander V., den Kampf gegen Hus und
seinen Anhang auf, indem er am 16. Juli 1410 Wiclefs Bücher ver-
brennen ließ und zwei Tage später über Hus den Kirchenbann aus-
sprach. Hus ließ sich dadurch nicht beirren und fuhr fort, unter
großem Zulauf der tschechischen Bevölkerung, Wiclefs Lehren zu
predigen. Es stand ihm hierbei ein dem niederen Adel angehöriger
unruhiger Gesell eifrig bei, Hieronymus von Prag, der schon in aller
Herren Länder umhergewandert war, halb Gelehrter, halb Ritter.
Wenzel stellte sich auf Hussens Seite und verbot unter anderem, daß
Hus den Befehl des Erzbischofs, sich der Kurie zu stellen und dort
sich zu verantworten, befolge. Der Erzbischof sah sich infolgedessen
genötigt, da durch die Verständigung Wenzels mit Sigismund des
ersteren Stellung sich gehoben und gefestigt hatte, einen Schritt zurück
zu thun, indem er das über die Stadt verhängte Interdikt zurücknahm.
Bald darauf, im September 1411, starb er; sein Nachfolger war ein
Lebemann, der sich um theologische Fragen so wenig als möglich kümmerte.