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besetzte Württemberg eingeschlossen, erteilt hatte. Bei der so vielfachen
Abwesenheit des Kaisers war mit dieser Wahl das an sich ohnmächtige
Reichsregiment zu Eßlingen beseitigt, vor allem aber das Reichsvikariat
Sachsen entzogen. Der neue König erwog gelegentlich seiner Krönung
zu Aachen mit seinen Näten und mit vertrauten Fürsten den Abschluß
eines Bündnisses sämtlicher katholischen Reichsstände, nachdem er sich
schon zu Köln mit fünf Kurfürsten auf zehn Jahre zu einem Defensio-
bündnis zusammengeschlossen, „nicht allein um einem Angriffe zu
begegnen, sondern um den Abgewichenen zuvorzukommen“.
Hierin und in dem augsburger Reichstagsabschiede lag zweifellos
eine Kriegsdrohung. Es war nur zweifelhaft, ob der Kaiser den Krieg
auch wirklich wollte oder ihn nur als Popanz gegen so friedliebende
und loyale Leute benntzen wollte, als welche er die Mehrheit der
protestantischen Fürsten auf den letzten Reichstagen erkannt hatte. Jeden
Augenblick konnte sich die Türkengefahr neu beleben, und auf die Bundes-
genossenschaft des Papstes und damit auf andauernden Frieden war kein
Verlaß, wenn der Kaiser, wie er doch nach dem augsburger Abschied
mußte, auf dem ihm selbst am Herzen liegenden Konzilsgedanken bestand.
Karls früherer Beichtvater, der Kardinal Loaysa, berichtete an ihn, der
heilige Vater verabscheue schon das bloße Wort „Konzil“ wie den Namen
des bösen Feindes, und riet ihm, die Ketzer lieber Ketzer und Bestien
sein zu lassen und, wenn nötig, sogar mit ihnen Arm in Arm zu gehen.
Davon wußten natürlich die Protestanten nichts, denen noch immer
mit Luther „Carolus das edel Blut ein Schaf unter den Wölfen“
war. Aber eben gegen die Wölfe mußte man sich doch nun, wie die
augsburger Erfahrungen nur zu deutlich predigten, allgemach zur
Wehr setzen. Luther schrieb schon von der Beste Koburg aus am
20. September 1530 an Justus Jonas: „Wird ein Krieg draus, so
werde er draus; wir haben genug gebeten und getan!“ Er lieh jetzt
sein Ohr auch den wittenberger Juristen, die ihm nachzuweisen ver-
suchten und nunmehr ein halbgläubiges Gehör bei ihm fanden, daß der
Kaiser eigentlich kein Monarch im vollen Sinne des Wortes sei, daß
er den Reichsständen gegenüberstehe etwa wie die römischen Konsuln
gegenüber dem Senat, oder wie der Bischof seinem Domkapitel.
Noch ehe Ferdinands Wahl stattfand, wurde auf einer Versammlung
protestantischer Herren und Städteboten in dem am Südwestabhange des
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