Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. I. Band, 2. Abteilung. Von der Landesteilung von 1382 bis zum Übergange der Kurwürde an die Albertiner (1547). (2)

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hier zeigte sich neben dem religiösen Zuge bei dem in Massen herbei- 
geströmten niederen Landvolke ein radikaler und sozialistischer Zug, der 
bald eine Spaltung in eine gemäßigte und eine unbedingte Partei ver- 
anlassen mußte. 
Der hier von den Führern verabredete Hauptschlag wurde am 
30. Juli 1419 zu Prag geführt, unter Leitung Johann Ziskas und 
des Johann von Seelau, eines dem Orden entlaufenen fanatischen 
Prämonstratensermönches. Schon längst hatte die hussitische Bevölkerung 
einen grimmigen Haß auf den der Mehrzahl nach deutschen und 
katholischen Rat der Prager Neustadt geworfen. Gegen ihn richtete 
sich die Unternehmung des 30. Juli. Nachdem die versammelten Rotten 
die Stephanskirche erbrochen, da allerlei Unfug verübt, aber auch durch 
das Abendmahl in beiderlei Gestalt sich gestärkt hatten, zog man gegen 
das Neustädter Rathaus, stürmte das Thor, tötete einen Ratsherrn, 
der sich in der Folterkammer verborgen hatte, und warf den Bürger- 
meister, drei Ratsherren, einen Unterrichter und sechs Gerichtsdiener 
zum Fenster hinaus auf die Straße, wo sie mit den Spießen auf- 
gefangen und ermordet wurden. Die Kunde von diesen Vorgängen 
regte Wenzel so auf, daß ihn ein Schlaganfall traf, der sich am 
16. August 1419 wiederholte und seinen Tod herbeiführte. Da er 
kinderlos war, so ging nach Erbrecht die Krone an Sigismund über, 
der damals gerade in Ungarn sich mit den Türken herumschlug. Er 
setzte für die Zeit seiner Abwesenheit die Witwe Wenzels als Regentin 
ein, die freilich utraquistisch gesinnt war, und gab ihr einen Regent- 
schaftsrat zur Seite. Den vielen schweren Aufgaben der inneren Lage 
konnte die neue Behörde sich nicht gewachsen zeigen; vor allem war 
es ganz unmöglich, der Opposition gegen Sigismund, gegen den wort- 
brüchigen Mörder des frommen Hus, entgegenzuarbeiten. Die Universität 
erklärte auf Befragung durch die Taboriten, wie sich nunmehr die 
radikale Partei der Hussiten nannte, „ob der Krieg für die Befreiung 
des Wortes Gottes erlaubt sei“, in aufreizender Weise, „daß zur Ver- 
teidigung der Wahrheit der Kampf mit dem Schwerte nicht nur erlaubt, 
sondern auch geboten sei“. Nikolaus von Pistna und Ziska ertrotzten 
an der Spitze ihrer unbändigen und nach ihrer Weise bewaffneten 
Scharen am 13. November 1419 die Bewilligung freier Religions= 
übung und Erteilung des Kelches durch ganz Böhmen und gründeten
	        
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