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Beweglichkeit eines für den Nahkampf entsprechend geübten Fußvolkes,
abgesehen davon, daß bei der minder kostspieligen Bewaffnung größere
Massen ins Feld geführt, Überflügelungen und Umgehungen um so
eher ermöglicht und der Abgang an Verwundeten und Toten rascher
ersetzt werden konnte. An Menge der Mannschaft, an rascher Beweg-
lichkeit, vor allem aber durch ihren todverachtenden Fanatismus waren
die Scharen Ziskas jedem Gegner überlegen; zudem hatte der geniale
Mann die von den Bauern, die wie die Germanen Frauen und Kinder
mitführten, ins Feld mitgebrachten Wagen strategisch zu benutzen
gewußt, indem er die Bauern schulte, mit ihnen allerhand militärische
Bewegungen vorzunehmen, sie als eine vor ihnen hergehende Schanz-
mauer zu benutzen, rasch einen Teil des feindlichen Heeres umfahrend
zu umzingeln und so abzuschneiden, oder damit eine uneinnehmbare
Burg gegenüber einer Übermacht zu gestalten.
Mit so ausgebildeten Scharen zog Ziska, neben dem noch drei
Hauptleute kommandierten, aber natürlich vor ihm weit zurückstehend,
vom Süden Böhmens Prag gegen Sigismund zu Hilfe, der von
Kuttenberg aus ein drohendes Manifest gegen die Hauptstadt vor sich
hergesandt hatte. Auf ihrem Marsche zerstörten die Hussiten Klöster
und Kirchen und die Sitze der katholischen oder deutschen Edelleute
und töteten Priester und Mönche oder was sich ihnen mit den Waffen
entgegenstellte ohne Barmherzigkeit. Bei der Erstürmung des Schlosses
Raby, das dem Herrn von Niesenberg gehörte, verlor Ziska das eine
Auge, das er noch besaß; um das andere war er schon in viel früherer
Zeit gekommen. Trotzdem fuhr der gänzlich Erblindete, der jetzt
etwa sechzig Jahre zählte, fort, von seinem Karren aus die Schlachten
zu leiten. Er selbst ließ übrigens bei der Einäscherung des Schlosses
sieben gefangene katholische Priester in die Flammen werfen. Am
20. Mai langte er mit 9000 Mann vor Prag an, erhielt aber bald
namhafte Verstärkungen aus dem Westen. Erst einen Monat später
erschien Sigismund und vereinigte sich vor Prag mit den von Norden
gekommenen „Kreuzfahrern“, den Truppen des Kurfürsten von Branden-
burg und der Markgrafen von Meißen, ferner mit Herzog Albrecht
von Osterreich und einer Menge von anderen Fürsten, Grafen und
Herren, die an Zahl den Hussiten wohl überlegen sein mochten, aber
nicht an einheitlicher Führung, Kampfesbegeisterung und Disziplin.
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