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dings mehr aus politischen Rücksichten, auch die flacianische Rich—
tung verhaßt, namentlich seit 1568 ein Religionsgespräch zu Alten-
burg zwischen seinen und den Theologen Johann Wilhelms zu
noch größerer Entfremdung geführt hatte. Infolge jenes miß-
lungenen Ausgleichungsversuches gebot Kurfürst August seiner
Geistlichkeit, einen Revers zu unterschreiben, daß sie „dem fla-
cianischen, illyrischen, fährlichen Irrtum, zänkischem Geschmeiß,
gistigem Gebeiß und Schwärmerei nicht anhängig wären“ usw.,
während ihrerseits die Jenenser Theologen gegenüber den Eini-
gungsversuchen des Tübinger Propstes Andreä sich weigerten,
„Christum und Belial in einen Klumpen zu schmelzen“. Somit
schien in Kursachsen die Richtung Melanchthons obzusiegen. Aber
es schien nur eben so.
Jedenfalls unterschätzten die Wittenberger Theologen bei der
erfreulichen Annäherung, welche 1570 (4. Juni) an die Pfalz
durch die Vermählung der Tochter Augusts, Elisabeth, mit Jo-
hann Casimir, dem Sohne Friedrichs III. erfolgte, den Umstand,
daß August ein anticalvinisches Glaubensbekenntnis von seinem
Eidam verlangte. Man unterschätzte ferner die Bedeutung des
von der streng lutherisch gesinnten Kurfürstin Anna geübten Ein-
flusses, der deren ebenfalls am Dresdner Hofe lebende verwitwete
Mutter und deren Schwägerin, die Herzogin Elisabeth von Mecklen-
burg sekundierten. Im Vollgefühle ihrer Sicherheit unternahmen
die Wittenberger Anfang 1571 die Veröffentlichung und Ein-
führung eines neuen Katechismus. Der von den Jenensern er-
hobene Lärm wider die Rechtgläubigkeit des Buches und die ihm
von dem berühmten calvinischen Theologen Béza aus Anerkennung
seines versöhnlichen Standpunktes gemachte Widmung einer Streit-
schrift wider den strengen Lutheraner Selnecker ließen den Kur-
fürsten doch so stutzig werden, daß er seine namhaftesten Theo-
logen nach Dresden lud „zu einem gut lutherisch Zeugnis"“. So
kam am 10. Oktober 1571 der sog. Consensus Dresdensis zur
Vereinbarung; auch er enthielt die melanchthonische Abendmahls-
lehre mit der erneuten Versicherung, daß diese nichts anderes als
die von Luther selbst gewollte Weiterbildung seiner Lehre sei. Aber
nun verdarb der Beifall, den die Heidelberger dem Consensus
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