— 145 —
Reichsstrafrechtsordnung. Trotz ihrer uns barbarisch erscheinen-
den Strenge in den Strafen, bedeutet doch auch sie gegenüber
der bisher eingerissenen Willkürlichkeit einen Fortschritt zur Hu-
manität. Sie wurde auch in Sachsen anerkannt, aber schon von
Moritz, aber dann auch von August in den Konstitutionen etwas
gemildert. Schlimm war nur, daß an Stelle des bisherigen An-
klageprozesses der Inquisitionsprozeß trat, indem der Landes-
fürst, bezw. seine Amtleute, oder die Stadtbehörde als Ankläger
auftraten und doch zu gleicher Zeit auch Richter waren. Die
Prozesse gegen Peucer, Cracow und später gegen Crell sind Bei-
spiele für den Mißbrauch dieser Prozeßform. «
Bei der Bestimmung des Strafmaßes hatten Leibesstrafen
und Geldstrafen bei weitem den Vorzug vor den Freiheitsstrafen.
Die Todesstrafe wurde in dem einzigen Falle, wo sie für unsere
Zeit noch gilt, nämlich für Mord, gerade nur in selteneren Fällen
angewandt, dagegen war sie die Regel bei Aufruhr, Bruch der
Urfehde und der Bestrickung, vorzeitiger Rückkehr aus der Ver—
bannung, Diebstahl im Werte von über fünf Gulden, Ketzerei,
Zauberei, Kirchenraub, Vielweiberei, Falschmünzerei usw. Als
Hinrichtungsmittel und -arten waren je nach dem Charakter
des Verbrechens das Schwert, der Strang, das Feuer, Ersäufen
in einem Sacke, Vierteilen, Rädern, Sieden oder Verbrennen in
einem Gefäß im Brauche. Losbitten durch eine unbescholtene
Jungfrau, die der Delinquent dann zu ehelichen hatte, oder durch
hochgestellte Personen war gestattet; in letzterer Beziehung hat
sich die Kurfürstin Anna besondere Verdienste erworben, indem
sie sich für Wilddiebe verwandte, die nach ihres Mannes bar-
barischer Ansicht allemal gehangen werden sollten; über ihnen
sollte ein Hirschgeweih festgenagelt werden. Nächst der Todes-
strafe kamen verstümmelnde Strafen in großer Häufigkeit zur
Anwendung, als Ausstechen der Augen, Ausschneiden der Zunge,
Durchbrennen der Backen, Aufbrennen eines Schandmals auf die
Stirn, wie z. B. Kurfürst August Wilddieben, wenn er sie am
Leben ließ, ein Hirschgeweih aufbrennen ließ, endlich das Ab-
hauen der Hand oder einzelner Finger. Eine viel angewandte
körperliche Strafe war das Stäupen, entweder mit einem Draht-
Sturmhoefel, Geschichte der sächlischen Lande. 10