Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. II. Band, 1. Abteilung. Das Albertinische Sachsen von 1500 bis 1815. (3)

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seits den Theologen, daß der neutestamentliche Text nicht durch 
philosophierende Phantastereien, sondern zunächst durch streng 
grammatische Behandlung zu erklären sei. Sein Kollege Christ 
aber machte schon auf die realen Seiten des klassischen Altertums 
aufmerksam und beeinflußte namentlich in dieser Richtung Chr. 
Gottl. Heyne, der 1729 zu Chemnitz geboren, als Professor 
der Philologie zu Göttingen 1812 verstarb. Aber die philoso- 
phische Fakultät zählte noch einen Gelehrten zu den ihrigen, der 
zwar wegen seiner rechthaberischen Pedanterie vielfach und mit 
Recht angefeindet worden ist, dessen Verdienste aber um die Neu- 
gestaltung und Reinigung der seit Luther mit jedem Jahrhunderte 
mehr verwahrlosten deutschen Sprache unleugbar sind. Am 
2. Febr. 1700 zu Juditten bei Königsberg in ÖOstpreußen ge- 
boren, war Joh. Chr. Gottsched doch schon 1725 Professor 
der Rhetorik an der Leipziger Universität. Als Neubegründer 
der deutschen Gesellschaft zu Leipzig im Jahre 1727 suchte er 
das Interesse für seine Sache in die Kreise der Gebildeten, vor 
allem aber durch die Schöpfung einer nationalen Schaubühne 
auch in die große Masse des Publikums zu tragen. Seine Gattin, 
Luise Adelg. Victoria, geb. Kulmus, nahm bekanntlich in allen 
diesen Bestrebungen einen rühmlichen Platz an seiner Seite ein. 
Eine der merkwürdigsten Frauen des an originellen Frauen- 
gestalten reichen 18. Jahrhunderts, die zu Reichenbach im Vogt- 
lande am 9. März 1697 geborene Friderike Karoline Neuber, stellte 
sich für jene Aufgabe einer nationalen Schaubühne Gottsched zur 
Verfügung. Welch Zigeunerblut und zugleich welche unbezwing- 
bare Liebe zur Kunst, die die Tochter des ehrsamen Magisters 
Dr. Weißenborn mit dem Schüler Johann Neuber entlaufen läßt, 
um zu der Spiegelbergischen Bande in Weißenfels zu stoßen! 
Das Neubersche Ehepaar erhält 1727 das Privilegium als säch- 
sische Hofkomödianten, nimmt sein Hauptquartier in Leipzig und 
führt alsbald Gottschedsche Stücke, darunter den seinerzeit viel- 
gerühmten „Sterbenden Cato“ auf. Auf ihrer im Boseschen Garten 
errichteten Schaubühne verbrennt die Neuber im Oktober 1737 
den Harlekin, die zotenhafte Hauptperson der Volksbühne. Aber 
damit ist noch nicht der Geschmack des Publikums gewonnen, na-
	        
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