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den Ausschreitungen des Pariser Pöbels, von der Verunglimpfung
des königlichen Paares, von dessen mißlungener Flucht hörte;
mit einem Entsetzen, das allgemein empfunden wurde, hörte man
schließlich von den wahnsinnigen Bluttaten eines zur Bestie
entarteten Pöbels. Doch sah man immerhin hier und da die
öffentliche Meinung sich sympathisch für die Revolution äußern.
In Leipzig wurden „Die Kokarden“, ein Schauspiel Ifflands, an
dessen Schluß die bekehrten Rebellen selbst den Fürsten seinen
Fuß auf ihre Kokarden setzen lassen, und ferner die „Weiblichen Ja—
kobiner“, eine minderwertige Posse Kotzebues von reaktionärer
Richtung, ausgepfiffen; der Regisseur mußte auf der Bühne Ab-
bitte leisten, daß er solche Stücke zur Aufführung gebracht habe.
Aber die erwähnte Sympathie war doch im wesentlichen nur
sehr theoretischer Natur. Daß die Revolution nicht nach Deutsch-
land hinübergriff, was übrigens von vielen Fürsten, so von
Friedrich August III., auch gar nicht befürchtet wurde, hat seinen
Grund gewiß zunächst in der größeren Bedächtigkeit des deutschen
Nationalcharakters und in der mangelnden Einheitlichkeit seines
damaligen politischen Systems, dann aber doch auch in dem Um-
stande, daß die Anhänglichkeit an das angestammte Fürstenhaus
ihre Berechtigung in den ernsten Bestrebungen vieler tüchtiger
Landesfürsten für das Wohl ihrer Untertanen fand, so besonders
in den sächsischen und thüringischen Landen. Immerhin kam es
im Laufe des Jahres 1790 im Kurfürstentume zu einigen Bauern-
unruhen. War ja überall auch in deutschen Landen der Bauer
ein mit Abgaben und Herrendiensten und allerlei Verpflichtungen
belastetes Wesen, dessen Rechte um so weniger Anerkennung fan-
den, als der Gutsherr zugleich sein Gerichtsherr war.
Da wurden zunächst die Bewohner des kleinen erzgebirgischen,
damals von Bünauschen Vasallenstädtchens Lauenstein im Juli
1790 durch ein Schreiben aufgefordert, sich den demnächst er-
scheinenden 16—18000 Mann anzuschließen, welche mit fliegenden
Fahnen und klingendem Spiele über Dresden nach Pillnitz ziehen
und den Kurfürsten von dort im Triumph nach Dresden bringen
würden, ganz also wie am 6. Okt. 1789 der Pariser Pöbel den
König Ludwig XVI. zur Übersiedelung von Versailles nach Paris