— 566 —
licher zutage; es gab sich nun kaum noch die Mühe, seine
wahren Absichten zu verhehlen, die überdies durch die immer
drohender werdende Kriegsgefahr von seiten Frankreichs gegen
die Verbündeten von Pillnitz gefördert wurden. Der Wiener Hof
sah deshalb die Notwendigkeit ein, nachdem er sich mit dem von
Berlin verständigt hatte, die polnische Frage so bald als möglich
unter Dach und Fach zu bringen, und zwar immer soviel als
möglich im Hinblick auf Rußland oder im Einverständnis mit
ihm. Dementsprechend ward der Chevalier von Landriani von
Wien nach Dresden geschickt, um zwar nochmals den Kurfürsten
zur Annahme der polnischen Krone zu bewegen, aber ihn zu
gleicher Zeit vor Forderungen zu warnen, die den Petersburger
Hof reizen könnten. Kurfürst Friedrich August blieb aber bei seiner
Meinung: „Entweder geben die Mächte, insbesondere auch Ruß-
land, dic feste Zusicherung, daß sie die Übertragung der Krone
Polens an Sachsen in der mir richtig erscheinenden Form geneh-
migen, oder ich lehne das polnische Anerbieten überhaupt ab.“ In
diesem Sinne beschied er auch am 14. Febr. die polnischen Unter-
händler, und stellte seine ganz präzisen Forderungen für eine macht-
volle Gestaltung des Königtums. In einer weiteren Note vom 3.März
kündigte er die Absendung eines außerordentlichen Gesandten nach
Warschau an, um über einige noch unerledigte Punkte Eröff-
nungen entgegenzunehmen.
Dic polnischen Patrioten waren nun perfid genug, die Note
des Kurfürsten vom 14. Febr. dem Reichstage überhaupt nicht
mitzuteilen, dagegen nur die vom 3. März, so daß es nun allrr-
dings den Anschein gewann, als habe Kurfürst Friedrich August
endlich angenommen. Abgesehen davon, daß Lügen kurze
Beine haben und man drpch schließlich die Note vom 14. Febr.
nicht länger verheimlichen konnte, hatte sich unter dem Drucke
der französischen Gefahr Osterreich durch Vertrag vom 7. Febr.
1792 mit Preußen verständigt und auch Rußland zu ge-
meinschaftlichem Einvernehmen eingeladen. Damit war bon
dieser Seite aus das Schicksal Polens entschieden. Eine weitere
Wendung zum Unglück war der am 1. März 1792 erfolgte Tod
Leopolds II., der den Schwerpunkt der Entscheidung noch mehr