Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. II. Band, 1. Abteilung. Das Albertinische Sachsen von 1500 bis 1815. (3)

— 46 — 
dem Fenster seiner Herberge der gefangene alte Kurfürst mit 
philosophischer Ruhe zu. Dagegen verwunderte er sich über die 
merkwürdige Gesellschaft, in der sich der neue Kurfürst oft genug 
sehen ließ. Trinkgelage und Liebeshändel füllten in einer selbst 
für jene Zeit auffälligen Weise seine Zeit aus. Doch verfolgte 
er auch die politischen Angelegenheiten mit Aufmerksamkeit. Unter 
diesen war von besonderer Wichtigkeit der Antrag des Kaisers 
auf Bildung einer Reichskriegskasse oder, wie man damals sagte, 
„eines Vorrates“; ausdrücklich sollte er nicht bloß gegen äußere 
Feinde dienen, sondern auch dann, wenn jemand im Reiche sich 
auflehne und dessen Frieden bräche. Trotz der Abneigung der 
Fürsten wurde der „Vorrat“ doch bewilligt, und zwar in der 
Höhe eines ganzen Römermonats, d. h. des für die Kosten eines 
Römerzuges ausgesetzten jährlichen Beitrags (— 120000 Gulden). 
Aufsehen bei allen, tiefste Erbitterung aber bei Moritz erweckte 
die unwürdige Behandlung Philipps von Hessen. Trotzdem die 
Söhne des Gefangenen mit größter Gewissenhaftigkeit den Be- 
dingungen der Hallischen Kapitulation nachgekommen waren, ließ 
Karl den Landgrafen nicht nur nicht frei, sondern verschärfte nach 
einem mißlungenen Fluchtversuche seine Haft derartig, daß jener 
zeitweilig sich dem Wahnsinn nahe fühlte oder an Selbstmord dachte. 
Zudem sahen sich Moritz und Joachim von Brandenburg in schwere 
Verlegenheit durch das Verlangen der Hessen gebracht, daß sie ent- 
sprechend ihrer Abmachung mit ihrem Vater, in Kassel einreiten 
sollten. 
Die wichtigste Angelegenheit des Reichstags war aber die 
Erledigung der kirchlichen Fragen. Papst Paul III. aus dem 
Hause Farnese war nicht nur, wie auch seine Vorgänger, dem 
Konzilsgedanken abgeneigt und hatte die Trienter Versammlung 
bei erster Gelegenheit suspendiert, sondern er stand auch im Inter- 
esse seines Hauses der kaiserlichen Politik feindselig gegenüber 
und damit auf seiten Frankreichs.- 
Um nun auf den Papst einen entscheidenden Druck auszuüben, 
damit er das allein von den unterworfenen Protestanten an- 
erkannte Konzil zu Trient wieder zusammentreten lasse, veranlaßte 
der Kaiser die Abfassung einer Formel, die sowohl dem Pro-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.