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poleon schwanken die Nachrichten; gegenüber dem Könige Friedrich
August blieb es bei einer kühlen Herzlichkeit; dem ihm notorisch
feindselig gesinnten Grafen Senfft aber sagte er ein paar tadelnde
Worte wegen der in letzter Zeil geschehenen Reibereien.
Am Nachmittag des 28. Mai kam Graf Narbonne mit seinem
negativen Bescheide aus Wilna zurück, der den Krieg unvermeid-
lich machte. Am selben Abende war Bankett beim König von
Sachsen; während alle Welt infolge der herrschenden Hitze puterrot
aussah, fiel Napoleons Marmorblässe auf; auch war er sehr
wortkarg und offenbar tief in Gedanken versunken. Charakte-
ristisch war nun die Szene nach aufgehobener Tafel: der König
Friedrich August begleitete das französische Herrscherpaar bis in
das Nebengemach, wo der ganze Dienst versammelt war, und hier
drehte sich der Kaiser plötzlich zu dem ihm nachkommenden Könige
um und sagte in ziemlich barschem Tone mit merklicher Unge-
duld: „Jai déja prié Votre Majesté, de ne pas F’incommoder
plus loin!“ ergriff seine Gemahlin, die offenbar durch eine ver-
bindliche Wendung den üblen Eindruck etwas abschwächen wollte,
unsanft am Arme und sagte zu ihr in gleichem Tone „Vene
donc!“ — Trotzdem begab sich der König noch nicht zur Ruhe,
denn noch für den 28. war die Abreise Napoleons festgesetzt ge-
wesen, verzögerte sich aber nun bis in die vierte oder fünfte
Stunde des folgenden Tages. Von dem bevorstehenden Auf-
bruch des Kaisers durch den Grafen Senfft benachrichtigt, be-
gleitete der König den Kaiser die große Treppe hinab bis an
den in der Torfahrt haltenden Reisewagen. — Am Tage da-
nach reiste der Kaiser von Österreich mit seiner Gemahlin
ab, am übernächsten der König von Preußen, der jedoch mit
seinem Sohne erst noch einen Abstecher nach Pilluitz und dem
Königstein machte und auf dem Rückwege zwischen Pirna und
Dresden bei dem Dorfe Leuben sich von dem dort auf ihn war-
tenden Könige von Sachsen und seiner Gemahlin nach dem Be-
richte eines Augenzeugen in besonders herzlicher Weise ver-
abschiedete. Zuletzt, nämlich erst am 4. Juni, verließ die Kaiserin
Marie Louise Dresden und begab sich nach Prag.-
Wohl mußte Kaiser Napoleon in dem Gedanken, daß er