Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. II. Band, 1. Abteilung. Das Albertinische Sachsen von 1500 bis 1815. (3)

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Ufer angekommen war, lösten sich alle Bande der Disziplin in 
der Armee. Das Häuflein Sachsen hielt zusammen; doch wurden 
von den 60 Mann, die noch die Regimenter von Rechten und von 
Low bildeten, am 4. Dez. durch einen Überfall bei Molodeczno 
44 Mann getötet. Am 13. Dez. überschritten die Sachsen den 
Niemen, am 17. erreichten sie Gumbinnen, am 20. Königsberg. 
Oberst Lessing geleitete sie nach Sachsen zurück. Es waren 7 Osfi- 
ziere und 4 Mann von den Gardedukorps, 13 Offiziere und 
3 Mann vom Regiment Zastrow, 1 Mann von der reitenden Bat- 
terie Hiller, die als Reste der sächsischen Reiterbrigade sich in 
Guben am 15. Jan. 1813 einfanden, Sie alle hatten die napo- 
leonische Herrschaft von Grund aus durchkosten müssen; von der 
Begeisterung, mit der die Offiziere den Fahnen des Imperators 
gefolgt waren, war nicht nur nichts mehr übrig, sondern an 
deren Stelle war Haß gegen den erbarmungslosen Massenschlächter 
und gegen die ganze französische Nation getreten. Im ganzen 
hatte der russische Feldzug den Sachsen zirka 20000 Mann ge- 
kostet, also ziemlich die ganze Armee. 
In dem vorhin erwähnten Orte Molodeczno, einige Meilen 
hinter Minsk, diktierte Napoleon am 4. Dez. das 29. Bulletin 
des Feldzuges. Es wurde darin der französischen Nation die Ver- 
nichtung der großen Armee mitgeteilt und als deren Ursache die 
furchtbare Kälte angegeben. Am Schlusse aber stand die beruhigende 
Versicherung zu lesen: „Die Gesundheit seiner Majestät ist nie- 
mals befser gewesen.“ Dann war Napoleon der Armee vorans 
nach Wilna geeilt, hatte sich hier mit nur vier Begleitern in 
Schlitten gesetzt und war am 5. Dez. auf und davon gejagt. Am 
Spätabend des 13. Dez. erschien bei dem französischen Gesandten 
Serra zu Dresden ein Kurier, der die in Bälde bevorstehende Au- 
kunft des Kaisers anzeigte. Zwei Stunden später traf dieser bei 
seinem Geschäftsträger ein, in dessen Bett er sich sofort legte, und 
ließ den König Friedrich August dahin entbieten. In der etwa 
1½ Stunde währenden Unterhaltung, die der Kaiser vom 
Bette aus führte, gestand er zwar ein, daß seine russische 
Armee vernichtet sei, prahlte aber, um den König zu be- 
ruhigen, mit 100000 Mann, die er noch am Niemen stehen
	        
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