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fehl gegeben hat, daß die Festung Torgau für niemand geöffnet
werden soll, als auf Befehl Sr. Majestät des Königs in Gemein—
schaft mit Sr. Majestät dem Kaiser von Osterreich.“ Damit war
dieser Akt der Torgauer Tragikomödie zunächst geschlossen, um
so mehr als Thielmann, der seit Rußland überhaupt nicht mehr
fester Gesundheit war, nicht unbedenklich erkrankte. Am 3. Mai
erhielt er ein Schreiben des Königs vom 30. April, in dem
ihm erneut in den bestimmtesten Ausdrücken gesagt wurde, daß
er die Festung in neutralem Stande zu erhalten habe. Am selben
Tage hatte aber Senfft an Zezschwitz nach Dresden geschrieben:
„Von Frankreich sind wir unwiderruflich geschieden. Tätigen An—
teil am Kampfe können wir indes und dürfen wir nunmehr nicht
nehmen vor Osterreich . . . . Mögen wir bald Gutes von den
Ufern der Saale hören. Gott schütze das Land!“
Die von den Ufern der Saale erhofften günstigen Nachrichten
blieben leider aus. Überhaupt sollte nicht an der Saale, sondern
schon an der Elster die erste Entscheidung fallen. Es war höchst
bedauerlich, daß in dem Vertrage von Kalisch Preußen in Über—
schätzung der russischen Machtverhältnisse und um überhaupt dessen
Bundesgenossenschaft zu erwerben, diesem die Oberleitung hatte
zugestehen müssen. Anfangs führte Kutusow den Oberbefehl, der
am 28. April nach kurzer Krankheit in Bunzlau starb. Er wurde
von Wittgenstein ersetzt; freilich konnte auch dieser nicht unter
die ersten Strategen seines Zeitalters gerechnet werden. Er er-
schien am 26. April in Leipzig, wo er sein Hauptquartier erst in
Lindenau, dann in Gohlis nahm. Daß er nicht die Stadt selbst
mit Einquartierung belegte, hatte seine Ursache in einer liebens-
würdigen Rücksichtnahme auf die Ostermesse, um die die Imme-
diatkommission nachgesucht hatte. Auch erweckte die gute Manns-
zucht der Russen allgemeine Befriedigung. — Blücher war schon
am B3. April von Dresden über Freiberg und Chemnitz bis Alten-
burg gekommen, sah sich aber hier zu untätigem Stilliegen ge-
zwungen, weil das Hauptheer noch weit zurück war. Erst die
Nachrichten von dem raschen Anmarsche Napoleons brachten mehr
Energie in das verbündete Lager. Am 25. April war Napoleon
schon bis Erfurt vorgedrungen; in seinem Gefolge befand sich