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Anch in diesem entscheidenden Momente, wo er sein Schichsal
klar vor Augen sah, schenkte er dem treuesten seiner Bundes-
genossen, der ihm doch nicht den geringsten Vorteil mehr bieten konnte,
keinen reinen Wein ein, sondern tat so, als ob er in den nächsten
Tagen mit neuen Truppen als Sieger zurückkehren werde. Den Gipfel
der Unverschämtheit bedeutete es jedoch, wenn er sein Bedauern
aussprach, daß Friedrich August nicht wenigstens bis Weißenfels
mit ihm zöge. Der Königin aber warf er die Abtrünnigkeit
ihres Bruders Max Josef von Bayern vor mit der Versicherung,
daß er dies schon rächen werde. Nachdem er sich verabschiedet,
sprach er noch die vor den Fenstern postierte sächsische Garde an,
sie sollten die Sicherheit ihres Königs besonders wahren; daraus
hat die Legende eine große Parade gemacht. Dann ritt der Kaiser
weiter, anfänglich in der Absicht, durch die Hainstraße aus der
inneren Stadt zu kommen; aber gegen das Ranstädter Tor war
der Weg so von Artillerie und Trainkolonnen gesperrt, daß an
ein Durchkommen nicht zu denken war; er ritt also durch die
Fleischergasse und Klostergasse zum Peterstor hinaus nach der
Seite hin, wo Kampf und Kanonendonner ihn zu rufen schie-
nen. Dann kehrte er aber um und gelangte durch die Burgstraße
und das Thomaspförtchen auf die Promenade und dann von
dieser über das sog. Hahnreibrückchen und durch das Naundörfchen
nach dem Ranstädter Steinweg. Auch hier war, da der Elster-
mühlgraben damals die Straße noch in ihrer Länge durchfloß
und nur zu einer Seite eine schmale Fahrstraße freiließ, das
Getümmel des Rückzugs schon so dicht, daß die Begleiter Napoleons
dem Kaiser mit Säbelhieben Platz schaffen mußten. Endlich ge-
langte er auf die Frankfurter Straße, glücklicher als der tapfere
Fürst Anton Josef Poniatowski, der beim Versuche, die Elster
zu Pferde zu durchschwimmen, umkam, und befand sich nach 10 Uhr
des Vormittags vor Lindenau, als er im Rücken eine bedeutende
Detonation vernahm: die Brücke über die Elster und über ihre
damals noch vorhandenen Seitenarme am Ende des Ranstädter
Steinwegs war in die Luft gesprengt worden. Napoleon hatte
zwar den Befehl gegeben, die Brücke zu unterminieren und, wenn
das Heer im wesentlichen darüber hinweg sei, sie bei dem Heran-