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Mächte, welche die Teilung von Sachsen für vorteilhaft hielten.“
Wir sehen hier den Standpunkt eines Mannes, der sich zwar
zweifellos in wohlwollendster Weise in sächsische Verhältnisse ein-
gearbeitet hatte, aber in dem völlig naturgemäßen Gefühle der
Treue und der Anhänglichkeit an das angestammte Königshaus
nichts anderes als Eigennutz zu erblicken wußte.
Ein offizieller Vertreter des Königs von Sachsen wurde in
Wien zu den Verhandlungen natürlich nicht zugelassen. Nach
den Julitagen, in denen General Zeschau aus Wien die oben
angegebene Antwort zurückgebracht hatte, war Prinz Anton auf
Einladung des Kaisers nach Wien gekommen, und im August
halte der Graf Schulenburg, ein Schwager des Ministers Ein-
siedel, den Rat erhalten, beim Kongreß mit „ruhender Voll-
macht“ zu erscheinen, d. h. dann immer irgendwo unter der Hand
einzugreifen, wo es ihm zweckdienlich erschiene. Er erhielt durch
den bayrischen Bevollmächtigten Fürsten Wrede stets eingehende
Unterweisung über die derzeitige Lage der Kongreßverhandlungen.
Vor allem aber war es Metternichs diesem sonst nicht eigene
Offenheit, die dem Agenten mit „ruhender Vollmacht“ eine er-
freuliche Perspektive eröffnete. Kein Zweifel, daß Österreich sich
einem Preußen gegenüber, dessen Grenzen sich „von Eger bis
Krakau“ erstrecken würden, nach den Proben der Spannkraft dieses
Staates in den verflossenen anderthalb Jahren ganz besonders
erxponiert fühlen würde. „Wir brauchen keine weiteren Argu-
mente,“ äußerte der Staatskanzler sich zu dem sächsischen Ver-
trauensmanne, „um uns zu überzeugen, daß unsere Konvenienz
erfordert, daß Preußen nicht unsere Grenze von Eger bis
Krakau umschließt; wenn Sie glauben würden, alle Gründe
zu diesem Zwecke erschöpft zu haben, so würden wir selbst
ebensoviele erwähnen können, die uns in dieser Absicht be-
stätigen und Ihnen vielleicht unbekannt sind.“ — Aber bei
der Zerrüttung der österreichischen Finanzen und dem mangel-
haften Zustand des Heeres war, wie Schulenburgs Bericht es
ganz treffend kennzeichnete, die wortreiche Sympathie Osterreichs
zunächst wenig wert. Hier trat die polnische Frage zur rechten
Zeit rettend in den Vordergrund. Zwar standen die Dinge
Sturmhoefel, Geschichte der sächsischen Lande. 50