— 99 —
gesetzes. Die Leipziger Zeitung verhieß ferner Mündlichkeit und
öffentliches Verfahren im Strafprozesse. Blum aber erklärte in
einer der Leipziger Versammlungen, das Opfer des einen Mannes
genüge noch nicht, das ganze Ministerium müsse gehen und mit
ihm das bisher befolgte System. In der Tat bot auch das
Ministerium dem Könige seine Entlassung an, dieser jedoch lehnte
sie ab. In der Bekanntgabe dieses Vorgangs wurde zugleich
die Einberufung des Landtags auf den 20. März angeordnet, und
die Zensur bis zum 20. April suspendiert. Da die Frankfurter
Bundesversammlung durch Beschluß vom 3. März jedem Bundes-
staate die Aufhebung der Zensur freigestellt hatte, so war dies
eine halbe Maßregel, die darum auch auf keinen Beifall rechnen
konnte. Überdies versprach man sich von dem Landtage nicht
viel, da er seinerzeit unter starker behördlicher Beeinflussung ge-
wählt worden war. In Leipzig unterzog man die Bekanntmachung
einer durchaus abfälligen Kritik, und angesichts der wachsen-
den Mißstimmung verzichtete der Bürgermeister Groß auf sein
Amt, weil er sich für unfähig hielt, der Bewegung Herr zu
werden. Am 11. März erschien der Minister von Carlowitz in
Leipzig. Sein herrisches Auftreten, das mitgebrachte Verbot, in
den Blumschen Redevereinen und den Schützenhausversammlungen
zu politisieren, war nicht im mindesten geeignet, die Gemüter
zur Ruhe zu bringen. Die Stadtveordneten wiesen deshalb seine
Botschaft zurück und verfaßten für den zukünftigen Landtag eine
Petition. Die Mission Carlowitzens mußte also als gescheitert
betrachtet werden. Nachdem er dem Könige genauen Bericht
über den Charakter der Leipziger Bewegung erstattet hatte, die
doch etwas anderes sei als eine Außerung der Elemente, die am
12. Aug. 1845 hervorgetreten seien, nahm das gesamte Ministerium
am 13. März seinen Abschied. Vielfach dachte man nun an
Bernhard von Lindenau als das Haupt des neuen Ministeriums;
aber der verdiente Mann wünschte nicht wieder in das politische
Leben zurückzukehren, machte jedoch die Regierung auf den Präsi-
denten der zweiten Kammer, Braun, aufmerksam, der sich mit
Recht hohen Ansehens erfreute und den Liberalen zweifellos ein
sympathischer Kandidat war. Er bildete am 16. März ein Mi-
77