Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. II. Band, 2. Abteilung. Das Albertinische Sachsen von 1815-1904. (4)

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von Dieskau kurzerhand beantragt hatte: das Parlament müsse 
ohne Umstände die ganze Regierung von Deutschland in die 
Hand nehmen. Sein Fraktionsgenosse von Trützschler machte bei 
diesen eine ganze Woche dauernden Debatten die Entdeckung: 
„Jeder Mensch kommt meiner Meinung nach als Souverän auf 
die Welt.“ Und nachdem Ludwig Simon aus Trier von derselben 
Partei jeden dem Parlamente sich etwa widersetzenden Fürsten 
einen Rebellen genannt hatte, erklärte Schaffrath es als ganz 
selbstverständlich, daß er „an einem anderen Orte“, nämlich am 
sächsischen Landtage, den Acheron gegen das Parlament in Be- 
wegung setzen werde, wenn dieses nicht den von ihm nach jakobini- 
schem Muster empfohlenen Vollziehungsausschuß votieren werde. 
Trotzdem wurde Erzherzog Johann von Osterreich zum „Reichs- 
verweser“ am 29. Juni gewählt und seine Anerkennung durch 
die einzelnen Regierungen alsbald — durch die sächsische am 
3. Juli — ausgesprochen. Er nahm auf seiner Reise nach 
Frankfurt den Umweg über Dresden, wo er am 10. Juli feier- 
lichst begrüßt wurde. Seinem Befehl entsprechend schmückten die 
sächsischen Truppen am 6. August ihre Fahnen mit schwarz-rot- 
goldenen Bändern und legten neben der sächsischen Kokarde die 
deutsche an; gleichzeitig wurden sie auf ihn als den allgemeinen 
Kriegsherrn vereidigt. In Franksurt wurde ihm, nachdem er 
das Gelöbnis auf Einhaltung der von der Nationalversammlung 
getroffenen gesetzlichen Bestimmungen, die ihm der Schriftführer 
Biedermann aus Leipzig vorlas, abgelegt hatte, von Gagern am 
12. Juli 1848 zum Haupte der provisorischen Zentralgewalt 
proklamiert. Damit hörte nach denselben Bestimmungen die Tätig- 
keit des Bundestags auf. Trotzdem erklärte dessen Präsident, 
der Osterreicher von Schmerling, als der Erzherzog aus der 
Nationalversammlung kommend, auch dem Bundestage in der 
Eschenheimer Gasse einen Besuch abstattete, daß die Bundesversamm- 
lung die Ausübung ihrer bisherigen Befugnisse und Verpflichtungen 
namens der deutschen Regierungen an die provisorische Zentralgewalt 
übertrage und mit dieser Erklärung ihre bisherige Tätigkeit als be- 
endet ansehe. Unter den Abgeordneten nun, die ausgelost worden 
waren, um den Reichsverweser nach der Eschenheimer Gasse zu
	        
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