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entrichtete. Die von der Vorlage vorgesehene besondere Ver-
tretung der Universität sowie der Geistlichkeit und Lehrerschaft
wurde abgelehnt. Man sieht, daß die Unterscheidungsmerkmale
der ersten und zweiten Kammer äußerst gering waren; auch
wurde die Bedeutung der also nur 50 Köpfe zählenden ersten
Kammer noch dadurch verringert, daß bei eintretender Mei-
nungsverschiedenheit beide Kammern geeint beraten und dann die
schlichte Majorität entscheiden sollte. Da das Ministerium ge-
droht hatte, bei Nichtannahme dieses Gesetzes zurückzutreten, so
nahm die erste Kammer unter dem Proteste der Standesherren
gegen die in ihre Rechte mit dem neuen Wahlgesetze geschehenden
Eingriffe das Gesetz auch ihrerseits an. — Von besonderer Wichtig-
keit war bei dem neuen Gesetze die Erteilung des Stimmrechts
an das aktive Militär, das dadurch in den politischen Partei-
kampf gezogen wurde, nachdem die Sendlinge der Vaterlands-
vereine schon längst daran gearbeitet hatten, die Disziplin zu
untergraben. Da den Soldaten von der geängsteten Regierung
der Besuch politischer Vereine und Versammlungen freigegeben,
ihr Petitionsrecht ausdrücklich anerkannt worden war, so durfte
man sich über den überhandnehmenden Geist der Zuchtlosigkeit
nicht wundern. Er führte in Dresden sogar zur Aufhebung der
vollständig demokratisch infizierten roten Leibgardedivision.
Ganz charakteristisch für die Lage in Sachsen war aber die
Haltung von Volksvertretung und Regierung gegenüber den Frank-
furter Einheitsbestrebungen. Am 27. Mai war vom Parlament
beschlossen worden, daß alle Bestimmungen einzelner deutscher
Verfassungen, welche mit der von dem souveränen deutschen Parla-
mente zu begründenden allgemeinen Reichsverfassung nicht über-
einstimmen würden, als ungültig zu betrachten wären. Das schien
anfangs auch die Anschauung der äußersten Linken im sächsischen
Landtage zu sein. Wenigstens brachte Tzschirner im August den
Antrag auf unbedingte Anerkennung der Beschlüsse der souveränen
Nationalversammlung ein. Die Regierung antwortete am 28. Aug.
unter Berufung auf § 2 der Verfassung mit besonders scharfer
Betonung des Entscheidungsrechtes der Kammern, wenn es sich
um eine Minderung der Kronrechte handle. Bald danach vollzogen