Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. II. Band, 2. Abteilung. Das Albertinische Sachsen von 1815-1904. (4)

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einen ihm befreundeten Beamten der Ministerialkanzlei den Befehl 
zugestellt, sich gar nicht erst zu zeigen, sondern sofort wieder nach 
England abzureisen. Gewissermaßen als Entschädigung erhielt er 
dann schon im Mai den gerade vakant gewordenen Gesandtenposten 
in Berlin. In dieser Stellung fühlte er sich so wohl, daß ihn 
die Aussicht auf den nun zum zweiten Male ihm angebotenen 
Ministerposten bei der ziemlichen Gewißheit, sich darin bald ab- 
zunutzen, mit wenig Freude erfüllte. Seinem Empfinden begeg- 
nete der König in der Empfangsaudienz mit den bezeichnenden 
Worten: „Ich hätte es Ihnen gern erspart; aber ich wußte mir 
nicht anders zu helfen.“ 
Das neue Ministerium, das man sich mit dem Scherzworte 
einprägte: „Weinlig hält (Held!) Ehrenstein, Rabenhorst beißt 
(Beust!l),“ war allerdings nicht auf Rosen gebettet. Denn die 
Kammern hatten es sich zur Pflicht gemacht, ihm das Dasein mit 
allen Mitteln zu erschweren, wozu nicht zuletzt recht alberne Inter- 
pellationen gehörten, z. B. ob es wahr sei, daß bayrische Truppen 
gegen die römische Republik verwendet werden sollten. Das Mi- 
nisterium bewies allen Anzapfungen gegenüber eine staunens- 
werte Lammsgeduld und kam den Wünschen der Volkstribunen 
wenn möglich auf halbem Wege entgegen. Zunächst publizierte es 
am 2. März die Grundrechte. Ganz charakteristisch für diese 
Politik ist die Beustsche Beurteilung der Grundrechte: „Eine ein- 
gehende Prüfung, welcher wir die Grundrechte unterzogen, ergab 
für uns das Resultat, daß ein Teil derselben unbedenklicher 
Natur, der andere dagegen so abstrakt theoretischer und praktisch 
undurchführbar sei, daß früher oder später die Revision von selbst 
kommen müsse.“ 
Ob dieses gelassene laissez faire, laissez aller den prak- 
tischen Bedürfnissen des Landes entsprach, mag dahingestellt sein. 
Zweifellos dürfte es sein, daß die der Revolution zustrebenden 
Kräfte aus dieser Haltung der Regierung Schlüsse auf deren 
Schwäche machten und dementsprechend in ihrem Auftreten täglich 
dreister wurden. Es wurde nichts verabsäumt, um durch gedrucktes 
und gesprochenes Wort aufreizend auf die Menge zu wirken, 
namentlich hatte man es auf Vernichtung der Disziplin bei
	        
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