Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. II. Band, 2. Abteilung. Das Albertinische Sachsen von 1815-1904. (4)

— 123 — 
den Soldaten angesehen, für die man entgegen einem anfäng- 
lichen Verbote den Besuch von politischen Versammlungen und 
den Zutritt zu republikanischen Vereinen erzwang. Die radi- 
kale Mehrheit in den Kammern fuhr fort, dem neuen Ministerium 
Schwierigkeiten über Schwierigkeiten zu machen und schlug dabei 
einen Ton an, der aus dem klassischen Worte widertönt: „Gegen 
die Regierung muß man grob sein, sonst merkt sie es nicht!“ 
Das von der äußersten Linken am 28. März eingebrachte Miß- 
trauensvotum gegen das Ministerium, das der politischen Bildungs- 
stufe, die die Mehrheit des sächsischen Volkes erreicht habe, nicht 
entspräche, wurde zwar mit sechs Stimmen Majorität zunächst 
vertagt. Aber wenige Tage danach wurde ein anderer Sturm- 
bock vorgeschoben, nämlich die Frage der Reichsverfassung. In 
dieser Angelegenheit zeigte sich der wahre Charakter der Radi- 
kalen in der abstoßendsten Weise. Bislang hatten sie von der 
Reichsverfassung mit dem erblichen Kaisertum an der Spitze nichts 
wissen wollen, nur die Grundrechte hatten Gnade vor ihren Augen 
gefunden. Nun war am 27. März von der Frankfurter Versamm- 
lung die Erblichkeit des Kaisertums mit freilich nur vier Stimmen 
Mehrheit angenommen worden, am 28. März erfolgte die Wahl 
Friedrich Wilhelms IV. von Preußen zum deutschen Kaiser mit 
290 Stimmen, während sich 248 Mitglieder der Abstimmung 
enthielten. Bekanntlich erteilte dann der König am 3. April 
der an ihn gesandten Parlamentsdeputation einen im allgemeinen 
zwar ablehnenden Bescheid, der jedoch, die Zustimmung der an- 
deren deutschen Fürsten und die Revision der Reichsverfassung 
vorausgesetzt, noch immer einen Hoffnungsschimmer übrig ließ. 
Diese Zeit der noch schwankenden Entscheidung erwählte die Linke 
am 12. April zu einem von dem Kreisamtmann Heubner aus 
Freiberg eingebrachten dringlichen Antrag auf sofortige Publi- 
kation der Reichsverfassung. Zur Beruhigung der Gemüter, die 
in dem erblichen Kaisertum eine schwere Beeinträchtigung der 
Volkssouveränität sahen, äußerte sich Schaffrath am 14. April 
mit zynischer Offenheit: „Das Erbkaisertum brauchen Sie nicht 
zu fürchten, das kommt nicht zustande trotz aller Beschlüsse; noch
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.