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lassen worden. Die Reichsverfassung ist verleugnet. Mitbürger!
das Vaterland ist in Gefahr! Es ist notwendig geworden, eine
provisorische Regierung zu bilden usw.“ Ebenso wie die beiden
ersten Sätze eine bewußte Übertreibung enthielten, so entsprach
es der Wahrheit nicht, wenn im weiteren versichert wurde, daß
die Stadt Dresden geschworen habe, mit der Reichsverfassung
zu leben und zu sterben. Gleichzeitig erließ die provisorische Re-
gierung einen Aufruf an die Soldaten, die auch von der Flucht
des Königs und der Minister ausging und jene unter der Er-
innerung an ihren Staatsbürgereid zur Verteidigung der Landes-
und Reichsverfassung aufrief. Verhandlungen, die während des
Nachmittags zwischen der Besatzung des Zeughauses zu deren
Verproviantierung und dem Rate stattfanden und äußere Teile
des Zeughauses der Kommunalgarde zur Verfügung stellten, be-
nutzte Tzschirner, um vom Balkon des Rathauses zu verkünden,
daß die Truppen im Zeughause übergegangen seien, und eine
zugleich erscheinende Kundmachung mußte durch ihren Eingang
bei Unkundigen die Vorstellung erwecken, als ob das ganze „brave
sächsische Militär dem Gebote der Pflicht gegen die heiligen Interessen
des Vaterlandes Genüge geleistet“ habe. Im übrigen verdrängten
die Leipziger Schützen, die mittags anderthalb Bataillon stark
mit der Eisenbahn angekommen waren, die Kommunalgarde aus
dem Zeughause. Abends gegen 10 Uhr langten auf gleichem
Wege zwei Bataillone des Leibregiments in der Neustadt an,
denen während der Nacht das 3. Bataillon aus Schneeberg folgte.
Immerhin war das Militär noch der Zahl nach bei weitem schwächer
als die Aufständischen und konnte bei der wachsenden Menge
der Barrikaden an einen Angriff nicht denken. Die Truppen
begnügten sich deshalb auch weiterhin noch mit der Besetzung der
Terrasse, des Zeughauses, des Schlosses und des Schloßplatzes,
so daß mit Ausnahme weniger Schüsse auch am 4. und in der
Nacht zum 5. Mai keine eigentlichen Kämpfe stattfanden. Da-
gegen nahmen die in der vorerwähnten Weise verstärkten Truppen
in der Frühe des 5. Mai Stellungen ein, die auf den Übergang
zum Angriff schließen ließen, weshalb auch die Aufrührer von
früh 7 Uhr an Sturm zu läuten begannen.