Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. II. Band, 2. Abteilung. Das Albertinische Sachsen von 1815-1904. (4)

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völlig unterblieben waren, noch immer nach dem schon längst 
als rückständig erkannten Inquisitionsverfahren, das jeder Kon- 
trolle durch die öffentliche Meinung entbehrte und darum dem 
anderen Extrem die Tore öffnete, ein gefährlicher Zustand in einer 
Zeit tiefster politischer Aufregung und vielfach zutage tretender 
serviler Beflissenheit gegen die wiederhergestellte Staatsgewalt. 
Von dieser letzteren Gesinnung haben wir ein beredtes Zeugnis 
in den Erinnerungen des damaligen Ministers des Innern Rich. 
von Friesen: „Kaum war meine Ernennung zum Minister in 
weiteren Kreisen bekannt geworden, so wurde ich schon von zahl- 
reichen, mir bis dahin ganz unbekannten Menschen überlaufen, 
die alle es sich zur Aufgabe machten, bei mir gegen andere, 
mir zum Teil auch ganz fremde, zum Teil aber auch sehr wohl- 
bekannte und von mir hochgeachtete Personen zu denunzieren; 
bald wollten sie selbst gesehen haben, wie der oder jener auf 
den Barrikaden gekämpft oder an dem Bau derselben mit geholfen 
hatte, bald hatten sie selbst hochverräterische Außerungen einzelner 
gehört, bald, und zwar bei weitem in den meisten Fällen, hatten 
sie selbst zwar nichts gesehen und gehört, aber von anderen, an- 
geblich ganz zuverlässigen Personen, die aber um des Himmels 
willen nicht genannt sein wollten, erfahren, daß sie hochverräterische 
oder sonst verbrecherische Handlungen oder Äußerungen anderer 
gesehen oder gehört hätten.“ Ganz richtig bemerkt Friesen weiter, 
daß er selbst in der Zeit der höchsten Aufregung von sonst loyalen 
und dem Könige treu ergebenen Persönlichkeiten, sogar von höheren 
Beamten so unüberlegte, nur durch die krankhafte Aufregung 
erklärliche Außerungen gehört habe, daß deren Anzeige den Be- 
treffenden zweifellos große Verlegenheiten würde bereitet haben; 
aber er habe es für moralisch richtiger gehalten, für alle solche 
Dinge einen Strich durch sein Gedächtnis zu machen. Ob so 
damals wohl auch alle mit der Untersuchung und Aburteilung 
der politisch Kompromittierten gedacht haben, ob sie sich alle das- 
selbe Prinzip zur Richtschnur genommen haben, das derselbe von 
Friesen in den Worten aufstellt, daß „viel mehr Energie dazu 
gehörte, dem durch die Lage der Dinge so sehr begünstigten 
Drängen einer leidenschaftlichen, wegen vielfach erduldeter Unbill
	        
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