Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. II. Band, 2. Abteilung. Das Albertinische Sachsen von 1815-1904. (4)

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Gedanke eines Bruderkrieges unter Teutschen schien mir unerträg- 
lich, wozu bei mir noch das freundschaftliche Verhältnis mit König 
Friedrich Wilhelm IV. kam. Es drängte mich, wenigstens einmal 
mich offen gegen ihn auszusprechen und ihm meine Meinung 
zu schreiben.“ Dabei verfiel der damalige Prinz, dessen ganze 
Richtung eine streng religiöse war, in seiner Bibelkenntnis auf 
die Situation, in der die Königin Esther Gott bittet, ihrem Worte 
bei dem König Ahasveros Gehör zu verschaffen, der im Be- 
griffe steht, alle Juden umzubringen. „Man muß gestehen,“ 
fährt der Prinz fort, „daß kaum eine passendere Stelle für meine 
Lage aufgefunden werden konnte. Ich machte mich sogleich ans 
Werk, suchte alle Gründe hervor, die dafür sprachen, den bis- 
herigen Weg zu verlassen, und beschwor ihn mit den herzlichsten 
und wohlmeinendsten Worten. Der Brief ging unter Genehmigung 
meines Bruders ab. Ob er etwas zu dem folgenden Ausgang ge- 
wirkt hat, wage ich nicht zu entscheiden. So viel ist aber gewiß, 
daß einige Zeit darauf die Entlassung Radowitz' aus dem Mini- 
sterium erfolgte und später die Entsendung Manteuffels nach 
Olmütz stattfand.“ — Gegenüber dieser alttestamentlichen Schlicht- 
heit des Empfindens, die zugleich eine gewisse Weltentrücktheit 
verrät, hören sich die Außerungen Beusts und seiner Freunde 
weniger harmlos an. Graf Vitzthum von Eckstädt (Karl Friedrich), 
damals sächsischer Gesandter in Wien und Vertrauter des Kaisers 
Franz Josef, mit dem er am 24. Okt. zu der erwähnten Zu- 
sammenkunft nach Warschau fuhr, schrieb damals: „Man fürchtet 
hier (in Wien), Preußen werde in der letzten Stunde klein bei- 
geben und die moralische Niederlage der militärischen vorziehen. 
Als Beweis, wie gewaltig Osterreich die Zähne zeigt, führe ich 
nur an, daß die erste Armee nicht weniger als 600 bespannte 
Geschütze mit sich führt. Die Börse ist alarmiert, das Silberagio 
gestiegen, alles in Bewegung und Clam des besten Humors. Jetzt 
gilt's, jedes Schwanken wäre der Tod! — — Va banquel ruft 
heute Felix Schwarzenberg. Der Einsatz ist hoch und seinen Geg- 
nern dürfte der Atem bald ausgehen.“ 
Dieser jubelnden Siegesfreude gegenüber steht der Schmerz 
seines Herrn und Meisters Beust nach der Verständigung von
	        
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