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fehlen, daß man in Berlin ein mißtrauisches Augenmerk auf
diese Maßregeln richtete. Soweit die Dinge heute übersehbar
sind, glaubte man zunächst jedoch weder in Sachsen noch anderswo
außerhalb Preußens ernstlich an einen Krieg. Wenn nun später
von Preußen namentlich seit Anfang Mai in der „Norddeutschen
Allgemeinen Zeitung“, der „Spenerschen Zeitung“ u. a. hart-
näckig das Gerücht festgehalten wurde, dessen Richtigkeit natürlich
durch das „Dresdener Journal“ stets in Abrede gestellt wurde,
daß Beust seit Mitte März in Wien auf die Vornahme von
Rüstungen gedrungen hätte, so darf man, nach dem heutigen Stand-
punkte unserer Kenntnis der damaligen Zeit, die Richtigkeit jenes
Gerüchtes vorausgesetzt, behaupten, daß Beust damit in seiner
Art nicht zum Kriege hetzen, sondern nur einen größeren Druck
auf Preußen ausüben wollte. Eine derartige Ansicht findet sich
auch ausgesprochen in einer damals bei Frommann in Jena er-
schienenen Schrift des bekannten großdeutschen Liberalen Frei-
herrn von Lerchenfeld: „Das Verfahren der deutschen Groß-
mächte gegen Schleswig-Holstein und der Bund.“ Der Verfasser
glaubt nicht an den Krieg; er ist überzeugt, daß der feste Ent-
schluß Osterreichs, nicht zu weichen, sofort die Nachgiebigkeit Preu-
ßens zur Folge haben würde. Diese Schrift fand damals den
entschiedenen Beifall der sächsischen Offiziösen.
Ist es unklar, inwieweit Beust auf die Rüstungen Osterreichs
irgend welchen Einfluß ausgeübt hat, so ist er jedenfalls gegen
den ebenfalls erhobenen Vorwurf in Schutz zu nehmen, als seie
er, auch der Urheber der Depesche des Grafen Mensdorff vom
16. März gewesen. Diese Depesche hatte ihre Ursache in dem
Erscheinen des italienischen Generals Govone in Berlin, mit dem
Bismarck am 14. März die erste Unterredung hatte. Der Handels-
vertrag mit Italien und die daran sich schließende Verleihung
des Schwarzen Adlerordens an König Viktor Emanuel waren
deutliche Anzeichen, daß sich Preußen und Italien auf Kosten
Osterreichs zu verständigen willens seien. Anderes konnte auch
die Sendung Govones nicht bedeuten. Graf Mensdorff be-
auftragte deshalb den Grafen Karolyi in Berlin bei Herrn von
Bismarck mündlich anzufragen, ob der Berliner Hof sich wirklich