Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. II. Band, 2. Abteilung. Das Albertinische Sachsen von 1815-1904. (4)

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die als Kriegsrüstung gedeutet werden könne, sofort wieder rück- 
gängig gemacht werden möchte. Dagegen fand am 8. Mai eine 
Volksversammlung im Odeon statt, wo neben dem als besonders 
partikularistisch bekannten Professor der Geschichte. Wuttke, auch 
Bebel, Liebknecht und Fritzsche das Wort ergriffen und insgemein 
der Schritt des Stadtrates und der sich anschließenden Kramer- 
innung und der Handels= und Gewerbekammer verurteilt wurde. 
Am 9. Mai wurde dem Rate durch den Vertreter der Regierung 
ein Verweis für diese Überschreitung seiner Kompetenz verlesen, 
wogegen hinwiederum das Stadtverordnetenkollegium Verwahrung 
einlegte. Eine Versammlung in Glauchau am 24. Mai wandte 
sich in ihrem Beschluß direkt gegen die preußenfeindliche Politik 
Beusts: „Wir erblicken in der Parteinahme der sächsischen Staats- 
regierung gegen Preußen, mit dem uns seit dem Jahre 1833 
gleiche volkswirtschaftliche, fast unauflösliche Interessen verbunden 
haben, den unvermeidlichen Ruin der erzgebirgischen und vogt- 
ländischen Industrie.“ Auch in Chemnitz kam es zu ähnlichen 
Kundgebungen. Aber überall sonst regte sich der Widerspruch 
dagegen, und namentlich war man in Dresden voller Haß gegen 
Preußen und voll Begeisterung für den Krieg, so daß sich eine 
Schilderung der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ aus der 
Mitte des Mai von der verzweifelten Stimmung in Sachsen und 
von einem angeblichen Straßentumulte in Dresden geradezu gro- 
tesk ansnahm Natürlich dienten die sächsischen Zeitungen ihrer- 
seits mit Schilderungen von herzzerreißenden Szenen bei Ein- 
berufung der preußischen Landwehrleute und Reservisten. 
Unter Übereinstimmung mit den militärischen leitenden Per- 
sönlichkeiten, dem Kronprinzen und dem Kriegsminister wurde bei 
der ablehnenden Haltung Bayerns ein folgenschwerer Entschluß 
gefaßt. Ursprünglich war der maßgebende Gedanke gewesen, in 
der Nähe des Erzgebirges zwischen Freiberg und Chemnitz das 
Gros der Armee zusammenzuziehen, um es mit den bayrischen 
Truppen vereint zur Verfügung des bedrohten Bundes zu stellen. 
Aber bei der ablehnenden Haltung Bayerns bekamen die alten 
Sympathien für Osterreich das Übergewicht und dieses kam den 
für Sachsens Selbständigkeit gehegten Befürchtungen entgegen,
	        
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