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kunft des von Josephstadt allerspätestens am 30. Juni herankom-
menden Oberstkommandierenden zu halten. Das war wegen der
günstigen Lage des genannten Ortes keine zu schwere Zumutung,
und dann lag schon jetzt bei Miletin das Korps des Erzherzogs
Ernst. Immerhin telegraphierte Kronprinz Albert am 29. Juni
mittags 12 Uhr nach dem Hauptquartier; er erhielt merkwürdiger-
weise, aus Ursachen, die gleich noch behandelt werden sollen, keine
Antwort. Dagegen erschien um 2 Uhr nachmittags ein Kurier
aus dem Hauptlager, der einen ganz detaillierten Befehl enthielt,
sich in Jitschin zu halten, und zu diesem Zwecke die Entsendung
des 3. Korps für den 29. nach Jitschin in bestimmte Aussicht
stellte, woran sich dann der Vormarsch der ganzen Armee auf
Turnau, also die Zurückwerfung des Prinzen Friedrich Karl
schließen würde. Es fiel allerdings auf, daß die Depesche vom
27. Juni datiert war; es konnte und mußte das ein Irrtum
sein und war es auch, denn der Befehl war am 28. Juni abends
6 Uhr ausgegeben worden, wie sich später herausstellte. Aber
auch so hatte er ziemlich 20 Stunden Zeit gebraucht, um von
Josephstadt nach Jitschin zu gelangen.
Nach unseren heutigen Verhältnissen und Einrichtungen be-
urteilt, ist es kaum möglich, jene seltsame Verkettung unglück-
seliger Umstände zu verstehen, die die Katastrophe von Jitschin
herbeigeführt hat. Daß die Schuld daran nicht auf der Seite
der Sachsen liegt, die den 29. Juni 1866 teuer genug zu be-
zahlen hatten, wird aus der folgenden Schilderung erkenntlich
werden, die auf nunmehr völlig bekannten und besonders von
der österreichischen Seite nicht abgeleugneten Tatsachen fußt. Es
muß jedoch erst auf die Ereignisse Rücksicht genommen werden,
die sich auf einen dem bisherigen entgegengesetzten Schauplatze
im Osten der österreichischen Aufstellung nur 90 Kilometer von
der Iserstellung der Sachsen abspielten, ohne daß man im Haupt-
quartier der letzteren eine Ahnung davon hatte.
Entsprechend den Bewegungen der Elbarmee und der ersten
Armee des Prinzen Friedrich Karl über das Lausitzer Gebirge
sollte nach Moltkes Plan die etwa 115000 Mann starke schlesische
Armec des preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm über das