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In die Session dieses Landtages fiel am 15. Febr. eine
ernstliche katarrhalische Erkrankung des Königs, ein Vorbote der
schweren Leiden, die ihm noch beschieden sein sollten. Diese Un-
päßlichkeit veranlaßte ihn, die Regentschaft zum zweiten Male
in die bewährten Hände des Sohnes zu legen, während er selbst,
sobald sein Zustand und die Witterung es erlaubten, den Süden
aussuchte. Von seiner Gemahlin begleitet, begab er sich am 10. April
1872 nach Riva am Gardasee, wo er bis in den Anfang Mai
verblieb und wieder den freundlichen Musen seine Zeit widmete.
Allerdings war er eine zu ernste Natur, um nicht auch hier mit
der Erholung einen ernsteren Zweck zu verbinden. Wie ihn bei
seinen kriminalistischen Studien die Duellfrage interessiert hatte,
so nahm ihn fast noch mehr die religiöse Seite der Sache ge-
fangen, namentlich als die Zeitungen von der Entlassung zweier
preußischer Offiziere katholischer Konfession aus der Armee wegen
Verweigerung des Duells gemeldet hatten. In einer zu Riva
verfaßten Novelle, die er sich dann später auf seinem letzten
Krankenlager in Bruchstücken wieder vorlesen ließ, suchte er in
den Schicksalen eines aus gleichem Grunde aus dem Heere ge-
schiedenen Offiziers, der auf einem neuen Gebiete seine Tüchtig-
keit und in einer äußerst gefahrvollen Lage doppelt seinen Mut
bewährt, nachzuweisen, daß nicht in dem durch die gesellschaftliche
Überlieferung geheiligten Zweikampfe, sondern in rechtzeitiger
positiver Betätigung moralischer Eigenschaften sich der wahre
Wert und Mut eines Mannes an den Tag gebe. — Der Aufent-
halt in Riva hatte erfreulicherweise die gehoffte günstige Wirkung.
Am 7. Mai verließ das sächsische Königspaar Riva, um sich
nach Stresa am Lago Maggiore zum Besuch der Tochter, der
Herzogin von Genua, zu begeben. Nach kurzem Aufenthalte, bis
zum 10. Mai, reiste man weiter nach dem schon im Vorjahre
und auch sonst gern aufgesuchten Possenhofen; während des dor-
tigen Aufenthalts besuchte der König den König Ludwig II. auf
seinem Schlosse Berg.
Nach seiner Rückkehr verweilte der König vom 15. Mai an
in dem ihm aus seiner prinzlichen Zeit her teuren Jahnishausen;
dann aber siedelte er nach Pillnitz über, wo er unter treulichster