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Pflege seiner Gemahlin den Rest des Sommers verbrachte. In
diese Zeit fiel der Beginn jenes großen inneren Kampfes im
Deutschen Reiche, der gemeinhin als der „Kulturkampf“ bezeichnet
wird, weil er den Kampf einer modernen auf Grund der pro-
testantischen Geistesentfaltung entwickelten Kultur gegen die seit
dem Infallibilitäts-Dogma stärker hervortretenden geistigen Knech-
tungsversuche der alten Kirche darstellt. Am 4. Juli 1872 wurde
das Reichsgesetz veröffentlicht, das den Jesuiten sowohl einzeln
als besonders in Korporationen die Niederlassung innerhalb der
Reichsgrenzen verbot. Für Sachsen war ja diese Angelegenheit
schon durch den § 56 der Verfassung geordnet, den seinerzeit der
Prinz Johann befürwortet hatte. Es mag hierbei zugleich darauf
hingewiesen werden, daß sowohl König Johann als Kronprinz
Albert sich seinerzeit gegen das Dogma von der Unfehlbarkeit des
Papstes ausgesprochen haben, und daß dessen Verkündigung in
Sachsen das königliche Plazet nicht erteilt worden ist, wie dies
der Kultusminister von Gerber in der zweiten Kammer am
26. Febr. 1873 ausdrücklich betonte.
Auch an den Angelegenheiten des Reiches vermochte der greise
König noch lebhaft Anteil zu nehmen. Am 30. Aug. empfing er
in Crimmitzschau den deutschen Kaiser, der von seinem gewöhn-
lichen Kuraufenthalte in Gastein und der dort stattgehabten Zu-
sammenkunft mit Kaiser Franz Josef, zurückkehrte, und begleitete
ihn bis nach Leipzig. Hierbei erfuhr er Näheres über die auf
den 6.—11. Sept. anberaumte Zusammenkunft der drei Kaiser
in Berlin und hatte zugleich die Freude, den Kronprinzen be-
sonders zu dieser, den europäischen Frieden zweifellos sicher
stellenden Begegnung eingeladen zu sehen. Am 5. Sept. traf
Kaiser Franz Josef in Pillnitz ein und begab sich am folgenden
Tage, vom Kronprinzen Albert begleitet, nach Berlin. Damals
bahnte sich jenes eigentümliche Mittlerverhältnis zwischen Berlin
und Wien an, das einen der bedeutungsvollsten Züge in der
späteren Regierungslaufbahn König Alberts ausmachte und so-
wohl von der deutschen Regierung als von Kaiser Franz Josef
auf ihren hohen Wert voll eingeschätzt wurde. "
Es folgten dann insbesondere für das Sachsenland hohe und