Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. II. Band, 2. Abteilung. Das Albertinische Sachsen von 1815-1904. (4)

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und weil nur wenige Gemeinden bisher davon Gebrauch gemacht 
hätten. 
Eine Erbschaft ganz anderer Art reichte noch aus den Jahren 
1870 und 1871 herüber. Bekanntlich wurde am 18. Juli 1870 in 
Rom das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes verkündet und 
der katholischen Christenheit durch eine Enzyklika bekannt gegeben. 
König Johann und Kronprinz Albert standen, wie durch die Mit— 
teilungen des damaligen Ministers des Kultus von Falkenstein 
bezeugt ist und schon früher erwähnt wurde, dem neuen Dogma 
ablehnend gegenüber, wie damals überhaupt die Mehrzahl der 
deutschen Katholiken. Zur Veröffentlichung der Enzyklika bedurfte 
es fernerhin der Einwilligung der Regierung. Sie wurde von 
dem damaligen Bischof Forwerk, der im allgemeinen als ein 
sehr maßvoller Geistlicher betrachtet wurde, am 26. April 1871 
durch Eingabe bei dem Kultusminister von Falkenstein nach- 
gesucht; der Bescheid darauf wurde am 26. Juni 1871 erteilt und 
lautete, wie nicht anders zu erwarten war, ablehnend. Mittler- 
weile aber hatten im Mai des Jahres die deutschen Bischöfe ihre 
Jahresversammlung in Fulda abgehalten und in einem Hirten- 
briefe zur festlichen Begehung des 25jährigen Papates Pius'’ IX. 
aufgefordert; in dieses Rundschreiben war auch eine Übersicht 
über die Ereignisse und Ergebnisse des Papsttumes Pius' LX. 
also auch die Verkündung der Unfehlbarkeit eingefügt worden. 
Während nun in Preußen in der weiteren Folge die scharfen 
Differenzen zwischen Staat und Kirche entstanden, die unter 
dem Namen Kulturkampf bekannt sind, und natürlich auch 
in dem streng protestantischen Sachsen die Gemüter aufregten, 
wurde in dem von dem Priester Wahl, dem nachmaligen (seit 
1892) Dekan zu St. Petri in Bautzen und Bischof für Sachsen, 
redigierten Katholischen Kirchenblatt für Sachsen am 30. Junie 
1873 die Behauptung aufgestellt, die Verkündigung der päpstlichen 
Infallibilität sei zwar von der Regierung nicht gestattet worden, 
das Dogma sei aber doch rite promulgiert worden durch die Ver- 
lesung des Fuldaer Hirtenbriefes von den Kanzeln, der die Unfehl- 
barkeitserklärung mit enthalten habe. Dieser Artikel, in dem man 
sich also brüstete, der Staatsregierung ein Schnippchen geschlagen
	        
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