Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. II. Band, 2. Abteilung. Das Albertinische Sachsen von 1815-1904. (4)

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30. April sehr richtig, wenn er auf die Notwendigkeit hin- 
wies, unabhängig vom Auslande Getreide und Schlachtvieh soviel 
als möglich im Inlande zu erzeugen oder die durch den Acker- 
bau gewahrte physische Kraft des Landes betonte, die dem Heere 
zugute komme. Aber er schoß doch über das Ziel hinaus, wenn 
er behauptete, während der Caprivischen Ara seien aus der Land- 
wirtschaft „im Interesse der Industrie Riemen geschnitten wor- 
den“. Es war natürlich, daß die Nationalliberalen die andere 
Seite der Sache beleuchteten. Aber von höchster Bedeutung war 
doch, daß der Minister des Innern, von Metzsch-Reichenbach, den 
Konservativen eine vollkommene Absage zuteil werden ließ. Nach- 
dem er eingangs seiner Rede, was gerade ihm gewiß niemand be- 
zweifelte, versichert hatte, auch er „fühle die Lasten unserer Zeit 
nach der landwirtschaftlichen Richtung“, so hielt er es doch für 
unangemessen, „unter Unberücksichtigtlassung aller andern Pro- 
duktionsgebiete da einzutreten, wo der Schuh am meisten drückt". 
„Die Regierung hat,“ so fuhr er fort, „nach meiner Ansicht doch 
eine andere Stellung einzunehmen; sie muß sich auf einen höheren, 
auf einen allgemeineren Standpunkt stellen, und es ist keine leere 
Redensart, meine Herren, es liegt dies in der Natur der Ver- 
hältnisse begründet, daß die Regierung eines Staates, wie des 
sächsischen, der zum großen Teil auf industriellem Gebiete führend 
ist, nicht bloß in Deutschland, sondern auch auf dem Gebiete des 
Weltmarktes, in gleichem Maße der Industrie ihre Rücksicht in voll- 
stem Maße schenkt.“ Er machte fernerhin darauf aufmerksam, daß die 
neuen Tarifsätze wesentliche Erhöhungen gegen früher brächten, näm- 
lich für Roggen um 43 % , für Weizen um 570%, für Gerste um 50% 
und für Hafer gar um 7800, während die durchschnittliche Höhe 
der neuen Industriezölle 33⅛2% vom Werte nirgends über- 
schritten; mehr könne doch kaum verlangt werden. Deswegen werde 
die Regierung an der Tarifvorlage festhalten und „nicht in den 
groben Fehler und die Gewissenlosigkeit verfallen, einen einzelnen 
Produktionszweig über die Maßen zu bevorzugen.“ 
Bei den späteren Verhandlungen über die Finanzreform von 
1902, auf die noch weiterhin zurückzukommen ist, trat doch in dem 
von der ersten Kammer am 30. Mai 1902 angenommenen Ent-
	        
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