Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. II. Band, 2. Abteilung. Das Albertinische Sachsen von 1815-1904. (4)

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wurfe eine solche Bevorzugung bezüglich der damals beschlossenen 
Vermögenssteuer zutage. Von der auf das Vermögen zu legenden 
Ergänzungssteuer sollte das landwirtschaftliche Kapital, ausschließ- 
lich allerdings des in landwirtschaftlichen Nebenbetrieben, wie 
Molkereien, Brennereien, steckenden Kapitals, befreit bleiben. In 
der nun folgenden Zeit beschäftigte sich der Reichstag mit dem neuen 
Tarife, der schließlich am 21.Okt. 1902 in der von der Kommission 
angegebenen Höhe angenommen wurde; die Kommissionsansätze 
überschritten die Regierungsvorlage, auf die sich am 30. April 
von Metzsch bezogen hatte bei Roggen, Weizen und Hafer um je 
50 Pfg., bei Gerste sogar um Mk. 2,50, reichten aber noch lange 
nicht an die Forderungen des Bundes der Landwirte heran, der 
die bisherigen Zollsätze bei Roggen und Weizen von Mk. 3,50 
auf Mk. 7,50, bei Gerste von Mk. 2 auf Mk. 7,50, bei Hafer 
von Mk. 2,80 auch auf Mk. 7,50 für 1000 kg getrieben haben 
wollte. Der Reichskanzler von Bülow erklärte aber noch am 
21. Okt., daß alle von der Vorlage abweichenden Abänderungs- 
anträge, wenigstens was Weizen und Roggen anlange, für die 
verbündeten Regierungen unannehmbar seien, eine Erklärung, die 
sich mehr gegen den Bund der Landwirte, als gegen die An- 
griffe des Freisinns und der Sozialdemokraten richtete. Ehe aber 
diese Entscheidung fiel, erschien im September ein höchst charakte- 
ristischer Artikel in dem Organe des konservativen Landesvereins 
(gegründet am 21. April 1875) in Sachsen, der stark an die oben 
geschilderte Auffassung vom Reiche im April 1874 erinnerte, ja 
ihn eigentlich noch überbot. U. a. hieß es nach einer Schilderung 
der Notlage der Landwirte: „Gelingt es nicht, eine Wendung zum 
Bessern und eine allmähliche Gesundung unseres Bauernstandes 
herbeizuführen, dann ist sein Ende nicht allzufern mehr. Wenn 
das aber einmal besiegelt ist, die zur Verzweiflung ge- 
triebene Landbevölkerung sich mit dem Proletariat 
der Städte vereinigt, dann werden die Throne zusammen- 
krachen, und es wird ein Chaos herrschen, bis aus Blut und Brand 
und greuelvoller Verwüstung sich langsam wieder geordnete Zu- 
stände herauswinden können. Schon hört man aus Bauernmund 
harte Anklagen gegen die Gleichgültigkeit der Regierenden, eine
	        
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