Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. II. Band, 2. Abteilung. Das Albertinische Sachsen von 1815-1904. (4)

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früher ungekannte Erbitterung hat in diesem geduldigen, zähen 
Stande um sich gegriffen; möge man diese Zeichen der Zeit richtig 
deuten und nicht unterschätzen, der Fehler könnte sich eines Tages 
schrecklich rächen.“ — Diesen unter den gegebenen Umständen zum 
mindesten grotesk wirkenden Fanfaronaden stimmte die Berliner 
„Deutsche Tageszeitung“, das Sprachrohr des Bundes der Land- 
wirte, völlig zu und knüpfte noch einige ähnliche Betrachtungen 
daran, während andere hervorragende konservative Blätter, wie 
der „Reichsbote"“ und die „Konservative Korrespondenz“, sich scharf 
in Ton und Inhalt gegen den Artikel des „Vaterland“ wandten, 
allerdings auch der sächsische Landesverein ihn desavouierte. Dabei 
ist aber zu bemerken, daß die genannte „Deutsche Tageszeitung“ seit 
1894 den früheren Leipziger Real--Gymnasial-Oberlehrer Dr. Oertel 
zum Chefredakteur hatte, der von 1898—1903 den 9. sächsischen 
Wahlkreis im deutschen Reichstag vertrat. Man kann sich denken, 
welch einen Sturm der Entrüstung der „Vaterlands“-Artikel in 
der nationalen Presse entfesselte und mit welcher höhnischen Be- 
friedigung, was dabei das allerschlimmste war, die sozialdemo- 
kratischen Blätter, an der Spitze der „Vorwärts“, das friedliebende 
städtische Proletariat den Agrariern gegenüberstellten und es als 
eine schnöde Beleidigung zurückwiesen, „dem Proletariat ein Bünd- 
nis mit den konservativen Mordbrennern anzutragen“. — Man 
wird nicht fehl gehen, wenn man einen Teil der Schuld an dem 
betrüblichen Ausfall der Reichstagswahlen in Sachsen vom Juni. 
1903 dieser Auffassung des Reichs von seiten der sächsischen Agrarier 
und dem damals wieder tief aufklaffenden Riß zwischen ihnen und 
der nationalliberalen Partei zuschreibt. Diese feindselige Stim- 
mung der Konservativen trat in recht unholder Weise in die 
Praxis, als die Landtagswahlen vom Okt. 1903 den Konservativen 
eine Verstärkung von 17 Stimmen brachten, so daß sie nun ins- 
gesamt 56 Mitglieder zählten, während die Nationalliberalen nur 
über 23 verfügten; jene benutzten ihre Überlegenheit zu dem Be- 
schluß, keinen nationalliberalen und freisinnigen Abgeordneten 
— es war aber nur ein Exemplar davon in der Kammer 
— zu Deputations-(Kommissions-Mitgliedern zu wählen. Hoffen 
wir, daß es das letztemal gewesen ist, daß aus dem Samen
	        
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