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lehnender Standpunkt genugsam bekannt sei; doch halte er es für
wünschenswerter, daß die Kammer ihn noch besonders ausspreche und
so der Regierung eine Stütze gebe. Demgemäß votierte die Kammer
mit 66 gegen 7 Stimmen den Eysoldtschen Antrag, dem dann
am 8. März auch die erste Kammer beitrat, lehnte aber den An-
trag des bekannten Nationalliberalen Prof. Dr. Biedermann und
Genossen, daß die Regierung beim Bundesrate auf baldige Zu-
standebringung eines Reichseisenbahngesetzes dringen möge, mit
53 gegen 19 Stimmen ab. Von der gegnerischen Seite glaubte
man in dem Biedermannschen Antrage ein Mißtrauensvotum
gegen die Regierung zu entdecken. Wenn nun auch v. Friesen
am 1. Nov. 1876 von seinem Ministerposten zurücktrat, so blieb
doch die Haltung der Regierung in der Eisenbahnfrage dieselbe
und ebenso die Haltung der Kammern, die nun in Übereinstim-
mung mit der Regierung daran gingen, darin übrigens dem
Vorgange Preußens folgend, in möglichst kurzer Frist möglichst
viele Privatbahnen aufzukaufen. Der Unterschied von Preußen
war nur der, daß die Ankäufe Preußens dem Reichseisenbahn-
projekte vorarbeiten, die Ankäufe Sachsens möglichst große Hinder-
nisse bereiten sollten.
Der erste Ankauf der sächsischen Regierung erwarb am
10. April 1876 die „Sächsisch-Thüringische Eisenbahn“ (Weisch-
litz-Wolfsgefährt), die ebenso notleidend war, wie die noch im
gleichen Jahre angekauften Linien Chemnitz-Commotau, Chem-
nitz-Aue-Adorf, Hainichen-Roßwein und Zwickau-Lengenfeld-Fal-
kenstein. Nachdem dann die Regierung am 1. Mai der zweiten
Kammer eine Vorlage betr. den Ankauf der Leipzig-Dresdener
Bahn gemacht hatte, wurde dieser Kauf schon am 1. Juli 1876
perfekt. Der Staat zahlte pro Aktie zu 300 Mark Nennwert
3prozentige Rentenscheine zu je 1000 Mark, mithin für 30 000 000
Mark Stammaktien 100 000 000 nominell in Rentenscheinen und
übernahm die Anleihen mit umlaufend 39 231 900 Mark als
Selbstschuldner, desgleichen die Kassenscheine, welche demnächst zur
Einziehung kamen, anderseits auch den Reservefonds von 300000
Mark und die im Besitze der Gesellschaft befindlichen Aktien der
Oberlausitzer und Cottbus-Großenhainer Bahn. Nach dem Kurse