Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. II. Band, 2. Abteilung. Das Albertinische Sachsen von 1815-1904. (4)

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tätigkeit wachrief, war die am 22. Aug. 1903 einsetzende der Textil- 
arbeiter zu Crimmitschau. Die Forderung der Arbeiter hatte in 
der Festlegung des zehnstündigen Arbeitstages und einer Lohn- 
erhöhung um 10 Proz. bestanden, welche von den Arbeitgebern 
abgewiesen worden war. Die Heimarbeiter schlossen sich alsbald 
den Fabrikarbeitern an. Auch hier handelte es sich in letzter 
Linie um eine Kraftprobe, auch hier entwickelte sich derselbe Terro- 
rismus, den dann der Reichskanzler von Bülow in seiner Reichs- 
tagsrede vom 10. Dez. 1903 so treffend charakterisierte, gegen 
Arbeitswillige im Orte selbst und gegen Zuzug aus anderen Orten, 
auch hier kam es mehrfach zu Ausschreitungen und rohen Gewalt- 
tätigkeiten, so daß sich die Kammern am 15. und 21. Dez. ver- 
anlaßt sahen, einstimmig 10000 Mark zur Entsendung von 40 
Gendarmen nach dem Ausstandsgebiete zu bewilligen. Außerdem 
wurde in Versammlungen, die zu Crimmitschau und in anderen 
Orten zugunsten der Ausständigen abgehalten wurden, in den 
bekannten Tönen gegen die arbeiteraussaugende Bourgeoisie und 
gegen die Regierung losgezogen, und wurden in diesem Sinne 
auch die heftigsten Flugblätter verbreitet. Das veranlaßte die 
Regierung die für die Ausständigen geplanten Weihnachtsbesche- 
rungen zu verbieten, weil sie doch nicht nur zur Verteilung von 
Gaben, sondern zu erneuten politischen Kundgebungen und zur 
Aufhetzung benutzt werden würden. Und als man infolgedessen 
eine solche Bescherung statt auf dem Boden des Königreichs in 
Schmölln im Altenburgischen abhalten wollte, legten die dortigen 
Behörden ebenfalls ihr Veto ein. Daraufhin erfolgten als Ant- 
wort mehrfach jene Austritte aus der Landeskirche, die schon bei 
einer anderen Gelegenheit erwähnt wurden. Die Regierung aber 
fand es angesichts des schweren wirtschaftlichen Schadens, den der 
schon vier Monate andauernde Streik mit sich brachte, angemessen, 
den bekannten Volkswirtschaftslehrer Geh. Reg.-Rat Viktor 
Boehmert und den ebenfalls in wirtschaftlichen Fragen wohlver- 
sierten Geh. Reg.-Rat Roscher, einen Sohn des bekannten Volks- 
wirtschaftsprofessors in Leipzig, nach Crimmitschau zu entsenden, 
um dort Vermittelung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern 
anzubahnen. Dieser Versuch scheiterte aber im wesentlichen an
	        
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