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Seminar lernte man mittelalterliche Quellen kennen und mit philo-
logisch-historischer Akribie sich in sie einarbeiten. Seit 1895 als
Extraordinarius, seit Ende 1902 als Ordinarius wirkt auch, für
historische Hilfswissenschaften berufen, Gerh. Seeliger, der
Herausgeber der „Historischen Vierteljahrsschrift“.
Für Kunstgeschichte kannte die hier in Betracht gezogene
Periode zunächst zwei Koryphäen ersten Ranges. Die antike Kunst
wurde feinsinnig erläutert durch Johannes Overbeck, weithin be-
kannt durch sein nunmehr natürlich überholtes Buch über Pompeji.
Ihm verdankt die Universität die Anlage seines archäologischen
Museums. Als nach vierzigjähriger Lehrtätigkeit seine Kräfte ab-
nahmen (gest. 8. Nov. 1895), trat ihm Franz Studniczka zur
Seite, der dann an seine Stelle rückte. Gegenüber der kühl abgemes-
senen Art Overbecks aber, welch eine sprudelnde, stark individuell
ausgeprägte Persönlichkeit war doch Anton Springer! Auch ihm
war es gegeben, weit über den Kreis seiner eigentlichen Disziplin
hinauszublicken, so daß er neben mittlerer und neuer Kunstgeschichte
ein glänzendes Kolleg über die Kultur der Renaissance zu lesen ver-
mochte, dem es nie an Zuhörern aus allen Fakultäten fehlte. Als
auch ihn das verhängnisvolle Jahr 1891 dahingerafft hatte, trat
1892 Hubert Janitschek an seinen Platz, starb aber, ein erst
46 jähriger, schon im Juni 1893. Aug. Schmarsow wurde an
seine Stelle berufen.
Noch bedürfen drei wichtige Lehrfächer einer kurzen Be-
sprechung. Oskar Peschel, der Verfasser einer bis heute noch nicht
überholten Geschichte der Entdeckungen, einer Geschichte der Erd-
kunde, einer Völkerkunde usw., war im August 1875 gestorben.
Otto Delitsch, der 1882 starb, vermochte als außerordentlicher
Professor der Geographie nicht die gebührende Bedeutung zu geben.
Das gelang dann erst wieder dem 1883 berufenen Ferd. Frei-
herrn von Richthofen, dem weithin durch seine Schriften be-
kannten Schilderer Chinas, den 1886 Friedrich Ratzel ablöste,
einer der glänzendsten Vertreter seines Fachs; leider raubte ihn
am 9. Aug. 1904 ein neidisches Schicksal kurz vor vollendetem
60. Lebensjahr (geb. 30. Aug. 1844) der Universität. Jos. Partsch
kam mit dem 1. April 1905 aus Berlin an seine Stelle.
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