Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. II. Band, 2. Abteilung. Das Albertinische Sachsen von 1815-1904. (4)

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nehmer einprägte, daß der greise König den Landtag in Person 
eröffnete und der Freude Ausdruck gab, daß ihm noch in seinem 
hohen Alter vergönnt sei, im Verein mit dieser Versammlung 
für das Wohl des Landes arbeiten zu können. Es wirkte dies 
um so mehr, als diese Worte nicht die eigentliche Thronrede 
bedeuten sollten; diese wurde dann mit ihrem reichen Pro- 
gramm von Bernhard von Lindenau verlesen. Ein merkwürdiges 
Charakteristikum der neuen Kammern war das Fehlen jeder Partei- 
bildung, das Prinz Johann am Ende der Session als einen Vor- 
zug rühmend hervorhob. Allerdings fand sich als Vertreter des 
aus Frankreich importierten Liberalismus, der sich an allgemeinen 
Phrasen und Ideen ergötzte, der „Bienenvater“ Richter in der 
Kammer, der sein geistliches Amt zugunsten seines nun zur Drohne 
sich umwandelnden Blättchens niedergelegt hatte und dann bald 
nach Amerika auswanderte; ihm standen in gleicher Richtung zur 
Seite ein Amtsgenosse, der Pfarrer Axt aus Oberwiesental und der 
Stadtrichter Haußner aus Pirna. Wenn man sich anfangs noch 
nicht über eine Geschäftsordnung klar wurde in diesem Zeitalter 
politischer und anderer Unklarheiten überhaupt, so konnte man 
sich mit dem Bundestag in Frankfurt a./M. trösten, der eine 
solche erst im Jahre 1854 sich bescherte, obwohl er um eine reich- 
liche Mandel Jahre älter war. Die Offentlichkeit war sehr 
beschränkt; von Zeitungsberichterstattern hatten nur die Vertreter 
der Leipziger Zeitung und des Landtagsblatts und auch nur zur 
zweiten Kammer Zutritt. 
Die Einführung der indirekten Besteuerung, die in sich die 
Beseitigung der Steuerfreiheit von Verzehrsartikeln für gewisse 
bevorzugte Kreise schloß, nahm den Landtag bis zur Beendigung 
der Session in Anspruch. Es hing damit zusammen, daß die ver- 
schiedenen Steuersysteme in der Lausitz, den Erblanden, den Rezeß- 
und den Wildenfelsschen Herrschaften aufhörten, was dann auch 
nach den üblichen Vorbehalten und langstieligen Erörterungen 
durchgeführt wurde. Hand in Hand ging damit die schon so lange 
gewünschte Aufstellung eines Budgets und die nunmehr uner- 
läßliche Zentralisation des Finanzwesens; es vereinigten sich 
unter Oberaufsicht des Finanzministeriums, das bei der ganzen
	        
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