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schiede des neuen Verfahrens gegenüber dem alten einzugehen.
Zunächst machte es sich ja nur im Strafverfahren und im Zivil—
prozeß bemerklich. Im ersteren sah man sowohl von seiten der
Laien als der Fachleute ungern die großen Schöffengerichte
schwinden, welche aus drei juristisch gebildeten Richtern und vier
Schöffen bestanden und zur Entscheidung über die Sachen mittlerer
Schwere berufen waren. An ihre Stelle ist im Strafverfahren ein
Gerichtshof von fünf Juristen ohne Mitwirkung des Laienelementes
gesetzt worden, das nun nur noch bei den leichteren Sachen durch zwei
Schöffen und bei den schwersten durch die Geschworenen vertreten ist.
Die Frage, ob nicht größere Schöffengerichte, bei denen Laien und
gelehrte Richter gemeinsam die Schuldfrage zu entscheiden haben,
die in vielen Fällen angefochtene Tätigkeit der Schwurgerichte
ablösen könnten, ist vielsach im bejahenden Sinne erörtert worden.
Doch dürfte eine derartige Anderung noch in weiter Ferne stehen.
Denn noch am 29. Juni 190é6 erklärte Justizminister v. Otto in
der zweiten Kammer, daß die verbündeten Regierungen sich dar-
über geeinigt hätten, das Schwurgericht in seiner bisherigen Kom-
petenz fortbestehen zu lassen. — Dagegen ist allgemein anerkannt
worden, daß die Einführung der Reichsjustizgesetze für das Zivil-
prozeß.- und Konkursverfahren durch Ermöglichung einer größeren
Schnelligkeit einen ganz erheblichen Fortschritt bedeute; freilich
wird mit Recht über die hohen Kosten geklagt.
Durch mancherlei Gesetze wurden Richter, Anwälte und Notare
teils in ihren Funktionen näher bestimmt, teils für ihr amt-
liches Verhalten unter eine Standesaussicht gestellt. Für die
Richter wurden Disziplinargerichte durch Landesgesetz vom
20. März 1880 eingeführt. Die Disziplinarkammern bestehen bei
den Landgerichten aus dem Präsidenten und zwei Richtern aus
der Zahl der Mitglieder des Landgerichtes und der Amtsrichter.
Bei dem Oberlandesgericht versieht dieselbe Funktion ein Disszi-
plinarsenat, der vom Präsidenten und zwei anderen Mitgliedern
dieses Gerichtes gebildet wird. Außerdem hat das genannte Gesetz
noch als Oberinstanz den Disziplinarhof geschaffen, der sich aus
dem Präsidenten und den Senatspräsidenten des Oberlandes-
gerichts und drei Landgerichtspräsidenten zusammensetzt. Die
Sturmhoefel, Geschichte der sächsischen Lande. II. 13