— 723 —
vom 26. Mai bis 2. Juni etwas länger und genoß dann
ziemlich regelmäßig jedes Jahr im Mai den Frühling dort, kam
wohl auch Ende Oktober zur Jagd oft genug dorthin. Auch hier
empfand die Umgegend alsbald, welch eine gütige und wohltätige
Fürstin als neue Gutsherrin in Sibyllenort eingezogen sei.
Am 15. Juni 1885 starb Prinz Friedrich Karl, der einstige
Studiengenosse des Königs, dann sein Gegner auf den böhmischen
Schlachtfeldern und endlich sein wirklicher „Kommilitone“, d. h.
Kampfgenosse, in den Kämpfen gegen Frankreich. Selbstverständ-
lich nahm König Albert teil an der in der Friedenskirche zu Pots-
dam auf den 18. Juni angesetzten Einsegnung der sterblichen
Überreste. Als er aber am 17. Juni nach Berlin kam und dort
vom Kronprinzen Friedrich Wilhelm vom Bahnhofe abgeholt
wurde, gingen auf dem Wege zum königlichen Schlosse die Pferde
durch und jagten in wildem Laufe die Linden hinab. Hierbei
brach die Deichsel und die aufgeregten Tiere konnten zum Still-
stand gebracht werden, ohne daß glücklicherweise den beiden Insassen
des Wagens ein Schaden zugestoßen wäre. Einen ganz ähnlichen
Unfall hatte übrigens der König gehabt, als er mit seiner Ge-
mahlin und Prinz Georg, einer Einladung Kaiser Wilhelms I.
folgend, vom 8. bis 10. Dez. 1876 in Berlin weilte. Es
brach nämlich in der Nähe des königlichen Schlosses die Achse
des Galawagens, in dem König Albert gerade fuhr; auch
hier wurde er vor irgendwelchem Schaden behütet. Bald nach der
Rückkehr des Königs aus Berlin im Jahre 1885 rüstete sich die
Residenz zum Empfang der deutschen Turner, die dort ihr sechstes
allgemeines Turnfest vom 16. bis 19. Juli begingen. Ganz wie 1863
zu Leipzig, wurden auch diesmal die österreichischen Turner mit
besonderer Herzlichkeit empfangen, denn schon gingen damals die
Wogen des Nationalitätenkampfes in Osterreich hoch, und Bis-
marckfeiern der Deutsch-Osterreicher konnten in Szene gesetzt und
von der Regierung verboten werden. Auch in Dresden fehlte es
nicht an einem kleinen Mißklange: der Festausschuß ließ einen Kranz
mit den ungarischen Farben, den ungarische Turner eigenmächtig
an die Rednertribüne befestigt hatten, mit Fug und Recht ent-
fernen. Doch warnte angesichts der politischen Beziehungen, die
46“