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sagen, daß König Albert mit vollem Bewußtsein sich als paritä-
tischen Herrscher fühlte, wenngleich er von Überzeugung ein guter
Katholik war und als solcher das Trennende schmerzlich empfand.
Am Tage nach der gewaltig Deutschland und Sachsen durchbrausen-
den Lutherfeier des Jahres 1883 sagte er zu einem seiner Minister
bekümmert: „Ich konnte gestern nicht mit meinem Volke beten;
da bin ich auf die Jagd gegangen!“ Sonst nahm er jedoch bei
festlichen Gelegenheiten unbefangen am evangelischen Gottesdienste
teil, wic er auch den Vorlesungen der protestantischen Professoren der
Theologie anwohnte und mit hochgestellten evangelischen Geistlichen
des Landes in ungezwungener Freundschaftlichkeit verkehrte. Auch
hier darf wieder ein kleiner charakteristischer Zug eingefügt werden,
der mehr besagt als längere Auseinandersetzungen. Als König
Albert die 1887 fertiggestellte Martin-Luther-Kirche in Dresden-
Neustadt bald nach ihrer Einweihung besuchte, wollte ihn der
Pfarrer ohne weitere Bemerkung an dem Medaillonbildnis des
Reformators auf dem Altarplatze vorüberführen; der König aber
blieb stehen, betrachtete das Bild aufmerksam und sagte: „Das
ist ja ein wohlgetroffenes Bild des Doktor Martinus.“ Es ver-
dient fernerhin die wohl kaum in weitere Kreise gedrungene Tat-
sache Hervorhebung, daß König Albert 1889 die Kapelle des könig-
lichen Jagdschlosses Moritzburg der Ortsgemeinde Eisenberg zur
Abhaltung regelmäßiger Gottesdienste überließ; infolgedessen fand
in dieser, die 1699 August der Starke durch den Jesuitenpater
Vota als erste katholische Kultstätte in dem Sachsen der Refor-
matoin hatte einweihen lassen, am 10. Nov. 1889, also am Luther-
tage, nach 190 Jahren zum ersten Male wieder evangelischer
Gottesdienst statt. — Daß König Albert, übrigens gegen die An-
sichten einiger Mitglieder seiner nächsten Umgebung, der Teil-
nahme evangelischer Offiziere, Kadetten und Soldaten an den
katholischen Kirchenfesten des Hofes durch Verfügung vom 7. Juni
1900 ein Ende machte, ist an anderer Stelle schon erwähnt worden.
— All dem bislang Mitgeteilten entsprechend, konnten spätere
Versuche des Prinzen Max, der in der Schweiz an der Universität
Freiburg eine Professur für kanonisches Recht und katholische
Liturgie angenommen hatte, in seinem früheren Heimatlande Pro-
Sturmhoesel, Geschichte der sächsischen Lande. II. 47