Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. II. Band, 2. Abteilung. Das Albertinische Sachsen von 1815-1904. (4)

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doch, welch ein Verlust ihm bevorstand und lauschte ängstlich auf 
die Nachrichten aus Sibyllenort. Leider konnte der Telegraph nichts 
anderes melden, als ein langsames, hier und da durch ein hoff- 
nungspendendes Aufflackern wieder unterbrochenes Abnehmen der 
Kräfte. Und dabei blieb dem hohen Kranken doch das klare Be- 
wußtsein seiner selbst und seiner Umgebung. Mit tiefster Rührung 
las man die Kunde, wie er am 18. Juni, es war der 49. Jahres- 
tag seiner Hochzeit, der Königin, seiner unermüdlichen und treuen 
Pflegerin, eine von den schönsten Rosen, die er sich hatte geben 
lassen, mit einem langen, stummen Blicke überreicht und damit 
die tapfer geübte Selbstbeherrschung der hohen Frau in einen 
Strom von Tränen aufgelöst hatte. Am selben Tage mußte er 
die Regierung an den Bruder abgeben, nachdem er in den letzten 
Tagen schon von Unterschriften sich nur noch die Gnadenakte hatte 
vorlegen lassen, auch sie nur noch mit einem einfachen A unter- 
zeichnend. Aber auch das Bewußtsein schwand und machte einem 
traumbefangenen Dahindämmern Platz, bis am Abend des 19. Juni, 
kurz nach 8 Uhr, König Albert im Beisein der ganzen königlichen 
Familie sanft und ohne merklichen Kampf hinüberschlummerte. 
Draußen gingen schwere Regenschauer nieder und der Sturm brach 
eine hohe Pappel an einem Tore. — Die Obduktion ergab in der 
Blase ein fingergroßes, mit Wucherungen besetztes, jedoch nicht 
krebsartiges Geschwür, das in den letzten Jahren die Blutungen 
verursacht hatte. Das Herz war verhältnismäßig wenig entartet, 
aber schwach geworden durch habituelle Blutarmut. 
König Albert war nicht mehr! Wie das deutsche Volk am 
Morgen des 10. März 1888, als die Nachricht von dem Ableben 
Kaiser Wilhelms I. sich verbreitete, von einem einzigen, großen 
und ticfen Gefühle der Verwaisung ergriffen wurde, so das sächsische 
Volk, als am 20. Juni das Abscheiden König Alberts bekannt 
wurde. Vom Hoöchsten bis zum Niedrigsten empfand jeder den 
Verlust eines Herrschers, dem man so gern die Jahre seines großen 
Kaisers gewünscht hätte. Was hatte die Armee in ihm verloren, 
dem letzten Feldmarschall aus dem großen Kriege selbst, dem Vater 
seiner Soldaten; was der Beamtenstand, an dessen Hebung König 
Albert so gern immer mitgewirkt hatte. Die Wissenschaft verlor
	        
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