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ordensähnlichen Kongregationen sind vom Gebiete des Deutschen
Reiches ausgeschlossen. Die Errichtung von Niederlassungen der-
selben ist untersagt. Die zurzeit bestehenden Niederlassungen sind
binnen einer vom Bundesrate zu bestimmenden Frist, die sechs
Monate nicht übersteigen darf, aufzulösen.“ — Das in erwähnter
Weise umgestaltete Gesetz wurde noch am 8. März vom Keiser
vollzogen und trat schon am 11. März in Kraft.
Man sieht: der Hauptpfeiler des Bollwerks gegen das Ein-
dringen eines in seinen Grundzügen als Kampfmittels gegen den
Protestantismus gedachten Ordens in das neue protestantische
Deutsche Reich war zwar erhalten geblieben und an sich konnte
tolerante Gesinnung die Aufhebung eines Paragraphen sich ge-
fallen lassen, der unter Umständen lediglich zu polizeilicher Schikane
die Handhabe bot. Aber immerhin mußten sich schwere prinzipielle
Bedenken erheben, da man in einer Zeit, wo das Losungswort
ausgegeben war: „Zentrum ist Trumpf“, in der Aufhebung des
§ 2 nur eine Abschlagszahlung an das Zentrum zu erkennen ver-
mochte, der man den § 1 bald nachfolgen lassen würde. Nun ver-
bietet zwar §56 der Sächs. Verfassung die Niederlassung der Jesuiten
in Sachsen, ebenso wie die Aufnahme irgend eines anderen geist-
lichen Ordens. Aber vorausgesetzt, daß Bundesrat und Reichstag
die Aufhebung auch des § 1 einmal beschlossen, brach dann nicht
Reichsrecht das Landrecht? Freilich hatte schon am 5. Dez. 1900
der Reichskanzler von Bülow darauf hingewiesen, daß man auf
dem Gebiete des kirchlichen Lebens die Autonomie der einzelnen
Bundesstaaten zu respektieren habe, und noch etwas schärfer und
eingehender hatte am 29. Jan. 1902 Graf Posadowsky betont, daß
die Ausübung des jus circa sacra ein Sonderrecht der Einzelstaaten
sei und hierdurch die Einwirkung der Reichsgesetzgebung zugunsten
der staatsrechtlichen Stellung der katholischen Kirche ausgeschlossen.
bleiben müsse — aber wer konnte wissen, ob dieser Kurs auch
immer eingehalten werden würde? Deshalb richteten am 17. März
1904, also unmittelbar nach Aufhebung des § 2, fast sämtliche
Mitglieder der zweiten Kammer eine Anfrage an die Regierung,
wie die sächsischen Bevollmächtigten über genannten Paragraphen
abzustimmen instruiert gewesen seien. Unter großem Beifall konnte