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Es zeigte sich überhaupt in der Haltung der ersten Kammer
ein beabsichtigter Gegensatz zu dem anderen Hause. Man glaubte,
namentlich in der Grundsteuerreform, Entgegenkommen genug ge-
zeigt zu haben, und bemühte sich auch gelegentlich, im Widerspruch
mit dem Geiste der Verfassung eine ritterschaftliche Sonderstellung
durchzusetzen. Beispielsweise veranlaßte die erste Kammer auf dem
Landtage von 1842/43 die Wiedereinbringung eines von der Re-
gierung 1832 zurückgewiesenen Gesetzentwurfs für die Begründung
eines ritterschaftlichen Kreditvereins mit staatlicher Unterstützung zu
gegenseitiger Kreditleistung und Tilgung der auf den Rittergütern
lastenden Hypothekenschulden. Von dieser Einrichtung sollte aber
der Bauernstand ausgeschlossen sein, trotz der verfassungsmäßig
ausgesprochenen Gleichberechtigung aller Stände. Es war dies zu-
gleich ein Zeichen, daß die Regierung ihre Beziehungen zur Ritter-
schaft in Opposition zur zweiten Kammer enger zu knüpfen versuchte.
So konnte es nicht als wunderbar angesehen werden, wenn
sich entgegen der früher gerühmten Parteilosigkeit schon 1838
eine, wenn auch kleine liberale Opposition zeigte, die zu Zeiten
gegen die Regierungsvorlagen bewußt Stellung nahm. Es waren
zunächst nur zwei Vertreter des Vogtlandes, der Bürgermeister
K. Todt aus Adorf und der Rechtsanwalt von Dieskau aus
Plauen. Aber schon auf dem nächsten Landtage erschienen ihrer
mehr, noch mehr auf dem der Jahre 1842/43 und dann be-
sonders 1845/46. Eine maßgebliche Stelle nahm unter diesen
Leuten der an von Dieskaus Stelle getretene Rechtsanwalt Karl
Braun ein; mit ihm sind zu nennen der Fabrikant Georgi aus
Mylau, der früher schon durch sein politisches Schriftstellertum be-
kannte von Watzdorf, der hervorragende Buchhändler H. Brock-
haus aus Leipzig. Sie traten zunächst in der Adressenfrage her-
vor und betonten gegenüber von Lindenaus abweichender Ansicht,
daß auch die zweite Kammer allein, ohne die erste zu befragen,
ein Recht auf Erlaß einer Adresse an den König habe. Es kamen
aber sehr bald andere und wichtigere Dinge zur Sprache, die
von dieser Seite des Hauses eine andere Behandlung und Be-
leuchtung erfuhren, als der Regierung unter den damaligen Zeit-
umständen lieb war. · « «