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Die Strohflechterei hat seit Anfang dieses Jahrhunderts be-
deutend an Umfang gewonnen und sich über ein Gebiet ausgedehnt,
das sich von der Müglitz bis gegen die Freiberger Mulde, und von
der vereinigten Weißeritz bis über den Gebirgskamm nach Böhmen
hinein erstreckt. Von Dohna, Kreischa und Possendorf, den Orten,
wo die Strohflechterei bis in das vorige Jahrhundert zurück nach-
zuweisen ist, hat sie sich über Dippoldiswalde westlich bis in die
Gegend von Freiberg, und von Glashütte über Geising und Alten-
berg bis nach Schönwald, Ebersdorf, Graupen und Neustadt, und
am Fuße des Erzgebirges bis Mariaschein, Klostergrab und Osseg
ausgebreitet.
Der Flächenraum dieses Gebietes, als dessen Grenzpunkte
Bobritzsch, Rabenau, Dohna, Liebstadt, Schönwald, Osseg, Frauenstein
bezeichnet werden können, beträgt über 750 qkm, auf denen sich 25,
30, 35 und selbst 40 Tausend Menschen mit Strohflechterei be-
schäftigen, je nachdem die Bevölkerung zu dem gewohnten Arbeits-
artikel sich wendet, oder nicht, was hauptsächlich von dem mit der
stärkeren Nachfrage eng verbundenen besseren Arbeitsverdienst zu-
sammenhängt.
Die Strohflechterei ist eine Hausindustrie, welche durch Kinder
und Erwachsene, während der Freistunden von der Schule, von der
landwirthschaftlichen oder bergmännischen Arbeit betrieben wird. Fast
in allen Häusern des Districtes kann sie gefunden werden, und wenn
die Flechterei auch vorwiegend Frauenarbeit ist, so betheiligen sich doch
auch die Männer an der Flechterei, sobald sie ihre sonstigen Berufs-
arbeiten beendet haben, und auch Kinder beginnen schon mit kaum
5 Jahren an der Arbeit Theil zu nehmen.
Der Erwerb bei der Strohflechterei ist ein geringer; als aus-
schließlicher Broderwerbszweig kann sie kaum in Frage kommen; da-
gegen hat sie als Nebenbeschäftigung einen Werth. Der bei der
Flechterei erzielte Wochenverdienst war im Jahre 1880 auf 120 bis
250 Pfg. bei Bastgeflechten, 360 bis 450 Pfg. bei Strohgeflechten,
450 bis 650 Pfg. bei Mustergeflechten; im Jahre 1882 verdienten
Erwachsene 200 Pfg., Kinder 50 Pfg. in der Woche. Seitdem sind
die Arbeitslöhne wieder gesunken und eine sehr geübte, fleißige Flechterin
vermag es nur noch auf 180 Pfg. in der Woche zu bringen.
Zum Theil sind diese gedrückten Preise in dem Wesen dieser
Hausindustrie begründet: denn es wollen Alle an dem Geflecht ver-
dienen, ehe dasselbe zur weiteren Verarbeitung iu der Strohhut-
Manufactur gelangt; der das Rohmaterial liefernde Großhändler,
der hausirende Aufkäufer, dann wieder der den weiteren Vertrieb
besorgende Großhändler, so daß für den Arbeiter selbst sehr wenig